Gewaltsame Machtkämpfe innerhalb libyscher „Einheitsregierung“

Im Westen Libyens brodelt es: Innerhalb der sogenannten „Einheitsregierung“ unter der Führung des Premierministers Faiyz al-Sarraj gibt es Anzeichen für innere Risse, nachdem der innerhalb der Bevölkerung durchaus beliebte Verteidigungs- und Innenminister Fathi Bashaga entlassen wurde. Als Anlass wurde die gewaltsame Niederschlagung oppositioneller Proteste in der Hauptstadt Tripolis genommen, worunter angeblich auch syrische Islamisten involviert waren. Für viele ist es aber nur ein vorgeschobener Grund, stattdessen sehen Viele Bashaga als den Vorkämpfer gegen Korruption und Anomie, was ihn wiederum zu einem Dorn im Auge der Regierung macht. Dieser Konkurrenzkampf könnte letztendlich die Waffenruhe im Land gefährden.

Vor zehn Tagen gingen tausende Menschen auf die Straße von Tripolis, um ein Zeichen gegen die anhaltenden Probleme in der Hauptstadt zu sitzen, vor allem gegen die desaströse Sicherheitslage und fehlende Infrastruktur. Daraufhin kam es zu einem Konflikt mit mehreren Milizen, die mitverantwortlich für die Korruption und Sicherheitslage gemacht wurden, und diese eröffneten kurz daraufhin das Feuer auf Demonstranten, wodurch einige verletzt wurden. Das Innenministerium beteuert, keinerlei Verbindungen mit diesen Milizen gehabt zu haben, was zugleich die unklaren Herrschaftsverhältnisse unter der Einheitsregierung offenbart.

Das änderte jedoch nichts daran, dass Fathi Bashaga kurz daraufhin entlassen wurde. Als Reaktion darauf versammelte er hunderte Kämpfer aus seiner Heimatstadt Misrata, die demonstrativ die Stadt in einem riesigen Militärkonvoi durchquerten, Ausdruck der militärischen Macht von Bashaga. Zugleich besitzt er auch gewisse Sympathien innerhalb der Bevölkerung, unter anderem weil er die etlichen Milizen von Tripolitanien zu einer regulären Streitkraft reformieren und zusammenführen will. Dem gegenüber stehen die Behauptungen, dass die auf Demonstranten schießenden Kämpfer in Wirklichkeit Bashaga unterstehen und seine Absetzung damit absolut legitim ist. Hier sehen sich beide Seiten im Recht, ebenso gespalten ist die Bevölkerung.

Es drückt zudem aber auch die Instabilität der sogenannten „Einheitsregierung“ aus, die in Wirklichkeit eine heterogene Vereinigung etlicher verschiedener Organisationen und Interessen ist, an dessen Spitze sich die verschiedenen, mehrheitlich islamistischen Milizen befinden und ihre Macht nur ungern aufgeben würde. Durch das Inkrafttreten der Waffenruhe vor fast einem Monat verfällt nun dieser gemeinsame, äußere Feind und jenes Szenario wiederholt sich, welches bei den Aufständischen in Syrien anzutreffen ist: Interne Machtkämpfe um Einfluss. Etwas, was man bisher innerhalb der ostlibyschen Tobruk-Regierung bzw. des oftmals als „Warlord“ verschrienen Khalifa Haftar nicht findet.

Die Tobruk-Regierung unter Khalifa Haftar kontrolliert etwa 70% des Landes, ein Großteil davon ist jedoch Wüste. Die dortige Koalition bestand zunächst aus verschiedenen Milizen, welche sich jedoch auch aufgrund internationaler Hilfe zunehmend professionalisierten und inzwischen in Form der „Libyschen Nationalarmee“ zu den stärksten Streitkräften auf dem libyschen Schlachtfeld gehören. Dennoch agieren viele Milizen unter dem Schirm der LNA weiterhin unabhängig. Haftar verschrieb sich persönlich primär der Bekämpfung von islamistischen Kräften im Land, so wurden über mehrere Jahre und Monate hinweg Städte wie Benghazi oder Dernah aus den Händen des Islamischen Staates, al-Qaidas oder lokaler Islamisten befreit. Unterstützt wird er dabei vor allem durch Russland, das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Frankreich, welches zunehmend gute Beziehungen zu Haftar aufrecht erhält, nachdem er für eine Notoperation nach Frankreich transportiert wurde. Auch Griechenland, Saudi-Arabien und Jordanien unterstützen Ostlibyen. Zudem ist er amerikanischer Staatsbürger, nachdem er erfolglos gegen Ghadaffi 1989 geputscht hatte und die USA ihm eine Zuflucht anbot.

Auf der anderen Seite befindet sich die sogenannte „Einheitsregierung“, welche von der UN als legitimer Vertreter des libyschen Staates angesehen wird. Im Vergleich zur Tobruk-Regierung existiert eine niedrigere militärische und politische Einheit, immer wieder versuchen lokale Milizen aus den verschiedenen Vorstädten von Tripolis um die Herrschaft zu buhlen und attackierten auch mehrmals die örtlichen „Tripolis Protection Force“. Die verschiedenen Milizen vor Ort haben die tatsächliche Macht in der Region, die Regierung unter al-Sarraj ist vergleichsweise machtlos und auf die internationale Unterstützung angewiesen. Diese Unterstützung erhalten sie in erster Linie von der Türkei, aber auch der Iran und Katar transportierten bereits Waffen und lieferten finanzielle Hilfe. Der Konflikt zwischen der Einheits- und Tobruk-Regierung ist aber nicht nur Ausdruck geopolitischer Machenschaften, sondern zeigt die weiterhin bestehende Aufteilung des Landes in das ostlibysche Cyranaika und westlibysche Tripolitanien auf, die die angespannten Beziehungen der Regierungen und Bevölkerung stärken.

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