Erdogan kündigt neue Militäroffensive auf Kurden in Syrien an

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An der nordsyrischen Grenze brodelt es: Gerüchte von einer bevorstehenden Militäroffensive der türkischen Armee und ihrer verbündeten Islamisten auf das Kernland der von den USA unterstützten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) bzw. der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) tauchen vermehrt auf. Nun kündigte der türkische Präsident Erdogan selber an, dass in den kommenden Tagen eine Militäroperation gegen die „terroristische PKK“ auf der anderen Seite der Grenze geführt werden wird. Auch die mit der Türkei verbündeten oder untergebenen Islamisten der syrischen Opposition riefen zu einer Beteiligung an, demnach wurden bereits Zehntausende Kämpfer mobilisiert. Eine Pufferzone vom Euphrat bis nach Kobane, bekannt und symbolisch wichtig für den kurdischen Widerstandskampf gegen den Islamischen Staat, wäre wohl das Ergebnis einer solchen Operation.

An mehreren Orten entlang der türkisch-syrischen Grenze wurden bereits jene Mauern abmontiert, die früher vor terroristischen Angriffen und Schmuggel schützen sollte. Vor mehreren Wochen attackierte türkische Artillerie unregelmäßig Verteidigungsstellungen der kurdischen YPG östlich des Euphrats, der Fluss wurde von Erdogan als „rote Linie“ für das Vordringen der SDF bezeichnet, jedoch scheint er nun auch nicht mehr für die Kerngebiete östlich des Euphrats Halt zu machen. Die Pressesprecher mehrerer islamistischer Gruppierungen, die bereits gegen den Islamischen Staat in Nord-Aleppo und gegen die Kurden in Afrin aktiv waren, kündigten ihre eigene Bereitschaft an, sollte es zu einer militärischen Offensive der türkischen Regierung kommen.

Ohnehin spielt die USA bei dem Konflikt eine entscheidende Rolle und verstärkte in den letzten Tagen seine Präsenz an der Grenzregion, auch um deeskalieren. Nahe Kobane wurde ein amerikanischer Militärkonvoi stationiert und patrouilliert nun die syrisch-türkische Grenze. Diese Entwicklung wird von der Türkei schwer kritisiert und verkompliziert nach eigener Darstellung den „Friedensprozess“. Die USA wird aber in breiten SDF-Teilen mit Argwohn betrachtet, da sie in den letzten Monaten und Jahren der Türkei Zugeständnisse gab.

Zuletzt gibt es Gerüchte von der türkischen Übernahme der Region um Manbij, das letzte Gebiet westlichen des Euphrats unter kurdischer Kontrolle. Diese Übernahme soll intern zwischen der USA und Türkei entschieden worden sein, ohne die Absprache des vor Ort regierenden Militärrates. Die erste gemeinsame Militärpatrouille zwischen türkischen und amerikanischen Einheiten soll dafür nur der erste Schritt sein, später folgen erste türkische Observierungsstützpunkte in Manbij und die Ausbildung lokaler Streitkräfte, welches die faktische Vertreibung der SDF bedeuten würde. Dementsprechend misstrauisch sind die Kurden gegenüber der USA und ihren Plänen.

Nicht nur nimmt die aggressive Rhetorik der Türkei erheblich zu und baut dabei Parallelen zu der damals bevorstehenden Afrin-Operation auf. Auch auf der anderen Seite des Grenzzaunes ziehen die türkischen Kampfverbände ihre Truppen zusammen, vor allem das bekannte Kobane und Tel Abyad scheint in das Fadenkreuz von Erdogan zu rücken. Meldungen zufolge rekrutiert die Türkei bereits erste Kämpfer in den Reihen der islamistischen Milizen aus den bereits „befreiten“ Gebieten in Nordsyrien, die sich dadurch potentielle Reichtümer erhoffen. In den türkischen Medien sei eine geleakte Karte aufgetaucht, die die Etablierung einer türkischen Pufferzone zwischen Kobane (bzw. Ayn al-Arab) und Tel Abyad vorsieht.

Dass Erdogan gerade zu diesem Zeitpunkt eine neue Militäroffensive gegen die SDF in Aussicht stellte ist nicht ungewöhnlich, neben monatelangen Gerüchten rücken kurdisch-arabische Kampfverbände derzeit im Euphrat-Tal gegen den Islamischen Staat vor. In der letzten und größten von ihnen gehaltene Stadt Haijin finden brutale Gefechte statt, inzwischen soll man die Hälfte des Ortes kontrollieren. Eine Verlängerung des Konfliktes zwischen IS und SDF befindet sich im Interesse der Türkei, bindet es doch feindliche Ressourcen an einer weit entlegenen Front. Ob sich die Drohungen von Erdogan aber wirklich in den kommenden Tagen materialisieren, bleibt abzuwarten.

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