Frontlinien der Islamisten brechen zusammen

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Der Moment, als ein Selbstmordattentäter in Aleppo seine Autobombe (SVBIED) detonierte

Nach der Einnahme der zweitgrößten Stadt in der letzten, noch von Islamisten kontrollierten Provinz Idlib, startete die Syrisch-Arabische Armee (SAA) und verbündete Gruppierungen auf insgesamt drei Frontlinien neue Angriffe in der Hoffnung, den geschwächten Gegner weiter zu überrumpeln. Besonders in der Nähe von Aleppo kommt es zu den schwersten Gefechten, die das Land seit längerer Zeit erlebt hat. Hunderte Luft- und Artillerieangriffe der syrischen Streitkräfte stehen den von der Türkei aufgerüstete Islamisten gegenüber, welche bereits mehrfach in den vergangenen Tagen Selbstmordattentäter einsetzten. Sogar die aus China stammende „Islamische Turkestan-Partei“ ist in den Kämpfen involviert.

Besonders intensiv dauern die Gefechte in West-Aleppo und den dazugehörigen Vororten an, dort konnten die aufständischen Milizen immerhin seit über vier Jahren ihre Verteidigungspositionen ausbauen und befestigen. Die andauernden Kämpfe sind wohl die schwersten, die Aleppo und auch die syrische Armee selbst seit Jahren erlebt hat. Dennoch gibt es mehrere Erfolge vorzuweisen, so konnten Orte wie Khan Tuman, Rashideen-5 oder der Journalistenkomplex unter schweren Gefechten und brutalem Artilleriebeschuss gesichert werden. Islamisten starteten mehrere Gegenangriffe, so wurden alleine am Samstag drei Selbstmordattentäter auf das Zahraa-Viertel in Aleppo eingesetzt. Scheinbar ist es der Versuch, durch eine direkte Gegenoffensive auf Aleppo bzw. Zahraa Ressourcen der SAA von den Frontlinien wegzubewegen.

In der Umgebung von Maraat al-Numan haben die Gefechte hingegen nachgelassen, nachdem die einst mit 60.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt der Provinz ohne Blutvergießen eingenommen werden konnte. Derzeit konsolidieren die syrischen Truppen die Umgebung, besonders entlang der M5-Autobahn werden neue Angriffe gestartet und Orte erobern. So startete man überraschend südlich von Maraat eine Operation, die mit der vollständigen Sicherung der M5-Straße endete und möglicherweise weiter nach Richtung Westen vordringen könnte. Auch nördlich von Maraat stößt man derzeitig vor, so konnte mit der Eroberung von Khan al-Sibel oder Maraat Dibsah erneut an Boden gewonnen werden. Dabei wurde auch eine türkische Basis gesichert, die dort stationierten Soldaten zogen sich aber zuvor zurück.

Das nächste Ziel der gegenwärtigen Situation scheint die Stadt Saraqib zu sein, welche 22 Kilometer nördlich von Maraat al-Numan  und strategisch günstig entlang der M4- und M5-Autobahnen liegt. Von dort aus wären es zudem nur noch wenige Kilometer bis zur gleichnamigen Provinzhauptstadt Idlib, auf dem Weg dahin würden nur noch wenige Dörfer liegen. Derzeit sind Armeestellungen südlich von Saraqib rund vier Kilometer vor dem Stadteingang entfernt, im Norden und Westen 15 Kilometer. Mit der Einnahme des Ortes würde die gesamte M5-Fernstraße zwischen den Großstädten Hama und Aleppo unter der Kontrolle der syrischen Regierung fallen.

Dementsprechend verbarrikadieren sich die verbliebenen Islamisten in der Stadt, während die Mehrheit der Einwohner bereits flüchtete. Auch die Türkei hat als „Schutzmaßnahme“ an drei Ortseingängen militärische Basen errichtet, die ein weiteres Vorrücken der syrischen Streitkräfte aufhalten soll. Jedoch hat die Vergangenheit bereits bewiesen, dass diese sogenannten „Observierungspunkte“ von der SAA ignoriert und ohne Probleme umkreist werden. So befinden sich drei türkische Stützpunkte tief im Territorium der syrischen Regierung, in zweien davon befinden sich türkische Soldaten seit Monaten eingeschlossen. In West-Aleppo befindet sich ein weiterer Observierungspunkt der Türkei, welcher in Kürze eingenommen werden könnte.

 

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Situation in Ost-Idlib, nachdem die SAA Gebiete rundum Maraat al-Numan erobert hat

Die neuesten Gefechte haben zur Massenflucht von Zivilisten geführt, Zehntausende Menschen fliehen aus dem Großraum Aleppo in Richtung türkisch-syrischer Landesgrenze. Die Meisten von ihnen kehren nicht zum ersten Mal ihrer Heimat den Rücken. Durch die intensiven Bombardements Syriens und Russlands wurden auch Dutzende Zivilisten ermordet, alleine in der gleichnamigen Provinzhauptstadt wurden 15 Personen auf einem Marktplatz getötet. Im Gegentausch werden durch die anhaltenden Mörser-Angriffe ebenfalls Dutzende Zivilisten in Aleppo getötet. Inzwischen sind die Flüchtlingslager entlang der türkischen Grenze mit den Massen an Fliehenden völlig überfordert und setzen auf internationale Unterstützung, da die Anzahl nicht anderweitig bewältigt werden kann.

Die kurz vor Weihnachten gestartete Offensive im Südosten Idlibs der syrischen Armee stellt der eigenen Darstellung zufolge die „zweite Phase“ der Idlib-Offensive dar, nachdem es im Mai zur ersten größeren Operation in Nord-Hama gekommen ist und in dessen Folge mehrere wichtige Städte wie Khan Sheikhoun erobert wurden. Das genaue Ziel der derzeitigen Offensive ist nicht klar, Gerüchten zufolge soll aber die zweitgrößte Stadt der Provinz, Maraat al-Numan, und sämtliche Gebiete östlich der M5-Autobahn, welche Hama und Aleppo miteinander verbindet, gesichert werden. Dies entspreche etwa einem Drittel des gesamten, von der Opposition gehaltenen Territoriums in Idlib.

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