Türkische Intervention in Libyen verzeichnet erste Erfolge

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Der libysche Bürgerkrieg ist derzeit wohl der brutalste Konfliktherd auf der Welt, nachdem es in Syrien und dem Jemen Friedensverhandlungen gibt. Im Nordwesten des Landes dauern die schweren Gefechte zwischen der „Libyschen Nationalarmee“ (LNA) unter der Führung der ostlibyschen Tobruk-Regierung und dem General Khalifa Haftar und den verschiedenen Milizen unter dem Schirm der sogenannten „Einheitsregierung“ (GNA), welche nur noch ein kleines Gebiet im Nordwesten des Landes kontrollieren, weiter an. Dank der massiven Unterstützung der Türkei konnte die GNA eine erfolgreiche Gegenoffensive durchführen und die Landverbindung zu Tunesien wiederherstellen und bedroht nun ein Flugfeld, welches für die gesamte Tripolis-Offensive Haftars elementar ist. Um ihre Stellvertreter zu beschützen, schreckt die Türkei nicht mal vor dem Einsatz eigener Kriegsschiffe oder Tausenden syrischer Islamisten zurück.

Den Milizen der Einheitsregierung ist in der Küstenregion westlich von Tripolis ein erfolgreicher Coup gelungen: Innerhalb von 24 Stunden konnten sie eine erfolgreiche Gegenoffensive starten und nicht nur jene Gebiete sichern, die in der letzten Woche verloren gingen, sondern auch neue Städte erobern, die traditionell unter der Kontrolle der Libyschen Nationalarmee stehen und bedrohen nun den Watiyah-Militärflughafen südwestlich von Tripolis. Diese Militärbasis ist ein wichtiger Bestandteil in den Luft-Operationen der LNA in der Hauptstadt und dessen Eroberung würde die Kapazitäten der Libyschen Luftwaffe erheblich einschränken und damit ein wichtiger Sieg für die GNA darstellen. Bisherigen Meldungen zufolge befinden sich dessen Verbände vor den Toren südlich und nördlich, sodass der Flughafen potentiell in den nächsten Tagen fallen könnte, sollte die Nationalarmee nicht erhebliche Ressourcen zur Verteidigung einsetzen.

Zudem konnten sie die Verbindungsstraße zwischen Tunesien und Tripolis wiedereröffnen, nachdem sie Orte wie Sabratha, Sourman oder Adjelat sichern konnten. In Sabratha fanden die GNA-Einheiten riesige Waffenbestände und konnten unter anderem dadurch sechs Kampfpanzer, Panzerabwehrwaffen und Mörser erbeuten. Nach dessen Eroberung gab es Meldungen davon, dass mehrere Häuser und Institutionen in Brand gesteckt wurden und die Gefängnisse, worin sich auch Insassen des Islamischen Staates befinden, geöffnet. Während der gesamten Operation erhielt die GNA auch direkte Hilfe durch die Türkei, welche mit zwei Kriegsschiffen Feuerunterstützung während der Gefechten bereitstellten. Dabei handelt es sich bisher um die direkteste Form der türkischen Intervention, da sie sich bisher auf materielle, logistische und personelle Unterstützung beschränkt hat.

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Ohnehin beteiligt sich die Türkei immer intensiver in dem libyschen Konflikt. Seit der Tripolis-Offensive im April wurden massenweise Container von türkischen Häfen nach Misrata und Tripolis gebracht, wo sie dann an die dementsprechenden Milizen übergeben wurden. Darunter befinden sich neben allerlei leichten Waffen auch etliche Militärfahrzeuge und anderes schweres Kriegsgerät, beispielhaft dafür ist die massive Drohnenflotte, dafür übergab die Türkei dem Land Dutzende Aufklärungsdrohnen, ein Operationszentrum und das benötigte Training. Hinzu kommen schätzungsweise bis zu 5000 syrische Islamisten, die von der Türkei als Söldner direkt nach Tripolis geflogen werden. Darunter befinden sich auch etliche Anhänger von Tahrir al-Sham (ehemals bekannt unter den Namen Jabhat al-Nusra), die von der Türkei selber als terroristische Organisation eingestuft wird. Inzwischen konnte die Einheitsarmee sogar einen Kämpfer gefangen nehmen, welcher von der mit der Türkei verbündeten und aus dem Irak stammenden kurdischen „Rojava Peschmerga“ stammt. Nun kommen auch noch türkische Kriegsschiffe als direkte Unterstützung hinzu.

Vorübergehend gab es darüber Gerüchte, dass sogar auf Seiten der Tobruk-Regierung syrische Kämpfer eingesetzt werden sollten. Die dafür genutzten Kämpfer sollten ehemalige Rebellen aus Südsyrien sein, welche in den letzten Jahren die Generalamnestie der Regierung akzeptierten und dadurch auf Seiten des syrischen Militärs in den Kampf zogen. Diese sollten dann durch Russland bzw. der russischen Privatarmee Wagner rekrutiert und organisiert werden, sodass sie in Libyen gegen die Einheitsregierung und die mit ihnen verbündeten Syrer eingesetzt werden konnten. Angeblich aber ist dieser Deal zusammengebrochen nachdem die ehemaligen Aufständischen von dem wahren Einsatz in Libyen erfahren hatten, da sie dachten, sie würden lediglich Ölraffinerien beschützen. Die Anzahl sollte sich zunächst auf etwa 70 Kämpfer beschränken. Der plötzliche, ausbleibende Einsatz in Libyen spricht aber dafür, dass diese Meldungen lediglich ausgedacht waren.

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Erbeutete LNA-Panzer in Sabratha

Die Tobruk-Regierung unter Kahlifa Haftar kontrolliert etwa 90% des Landes, ein Großteil davon ist jedoch Wüste. Die dortige Koalition bestand zunächst aus verschiedenen Milizen, welche sich jedoch auch aufgrund internationaler Hilfe zunehmend professionalisierten und inzwischen in Form der „Libyschen Nationalarmee“ zu den stärksten Streitkräften auf dem libyschen Schlachtfeld gehören. Dennoch agieren viele Milizen unter dem Schirm der LNA weiterhin unabhängig. Haftar verschrieb sich persönlich primär der Bekämpfung von islamistischen Kräften im Land, so wurden über mehrere Jahre und Monate hinweg Städte wie Benghazi oder Dernah aus den Händen des Islamischen Staates, al-Qaidas oder lokaler Islamisten befreit. Unterstützt wird er dabei vor allem durch Russland, das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Frankreich, welches zunehmend gute Beziehungen zu Haftar aufrecht erhält, nachdem er für eine Notoperation nach Frankreich transportiert wurde. Auch Griechenland, Saudi-Arabien und Jordanien unterstützen Ostlibyen. Zudem ist er amerikanischer Staatsbürger, nachdem er erfolglos gegen Ghadaffi 1989 geputscht hatte und die USA ihm eine Zuflucht anbot.

Auf der anderen Seite befindet sich die sogenannte „Einheitsregierung“, welche von der UN als legitimer Vertreter des libyschen Staates angesehen wird. Im Vergleich zur Tobruk-Regierung existiert eine niedrigere militärische und politische Einheit, immer wieder versuchen lokale Milizen aus den verschiedenen Vorstädten von Tripolis um die Herrschaft zu buhlen und attackierten auch mehrmals die örtlichen „Tripolis Protection Force“. Die verschiedenen Milizen vor Ort haben die tatsächliche Macht in der Region, die Regierung unter al-Sarraj ist vergleichsweise machtlos und auf die internationale Unterstützung angewiesen. Diese Unterstützung erhalten sie in erster Linie von der Türkei, aber auch der Iran und Katar transportierten bereits Waffen und lieferten finanzielle Hilfe. Der Konflikt zwischen der Einheits- und Tobruk-Regierung ist aber nicht nur Ausdruck geopolitischer Machenschaften, sondern zeigt die weiterhin bestehende Aufteilung des Landes in das ostlibysche Cyranaika und westlibysche Tripolitanien auf, die die angespannten Beziehungen der Regierungen und Bevölkerung stärken.

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