Sind syrische Söldner für die Türkei in Aserbaidschan?

Der Einsatz syrischer Söldner zur Durchsetzung türkischer Interessen in Konfliktherden ist kein offenes Geheimnis, die Türkei setzte in Libyen rigoros Tausende Syrer bei der erfolgreichen Verteidigung der Hauptstadt Tripolis gegen die ostlibysche Parallelregierung ein. Nun werden Tag für Tag die Stimmen und Beweise lauter, die den Einsatz derartiger Kämpfer auch in Aserbaidschan belegen, einige davon bevor die ersten Kämpfe zwischen Bergkarabach bzw. Armenien und Baku ausbrachen. Der Einsatz von Syrern würde den Konflikt nicht nur weiter in eine internationale Dimension, an dessen Spitze die Türkei zunehmend gegen Armenien interveniert, eskalieren lassen, sondern auch an dunkle Verbrechen des letzten großen Krieges um Bergkarabach erinnern, wo sich verschiedene islamistische Organisationen dem Kampf gegen Armenien anschlossen.

Die ersten Gerüchte von einem Einsatz syrischer Söldner in Aserbaidschan tauchten einen Monat vor den ersten Gefechten im Kaukasus auf, angeblich eröffneten in den von der Türkei kontrollierten Gebieten in Nordsyrien die ersten Rekrutierungsbüros, die türkischsprachige und bestenfalls turkmenische Kämpfer suchten. Dafür wurden ihnen ein monatlicher Gehalt von bis zu 1.500 Dollar versprochen, für syrische Verhältnisse eine riesige Menge. Viele Kontakte in der Region bestätigen, dass Personen für einen Einsatz in Aserbaidschan gesucht wurden, ohne nähere Details zu nennen. Diese wurden dann aus der ehemals kurdischen Region Afrin nach Adana transportiert, woraufhin sie nach Baku geflogen wurden.

Interessant ist auch, dass der derzeit in Syrien ansässige und aus Ägypten stammende Kleriker Abu al-Yaqdhan al-Masri davon abriet, sich dem Kampf in Aserbaidschan anzuschließen – einen Tag vor dem Ausbruch der Gefechte. In der Fatwa befürwortete er stattdessen, den „heiligen Dschihad“ in Syrien weiterzuführen und sich nicht vom Geld der Türkei vereinnehmen zu lassen.

Wenn man armenischen Nachrichtenseiten und Geheimdienstberichten glauben mag, befinden sich derzeit bis zu 4000 Söldner in Aserbaidschan, wovon bereits Dutzende getötet wurden. Derartige Angaben sind aufgrund der Quellenherkunft aber nur mit äußerster Vorsicht zu genießen, insbesondere die Ursprungszahl im vierstelligen Bereich scheint einer reinen inflationären Ziffer entstanden zu sein. Als Reaktion auf derartige Berichte behaupteten die Türkei und türkische Medien jedoch, dass Armenien bis zu 200 „PKK-Anhänger“ aus Syrien rekrutiert hat, um vor Ort Milizen auszubilden und im Kampf gegen Aserbaidschan zu unterstützen. Ein Reflex, der möglicherweise ein sehr schwacher, aber existierender Indikator für den Einsatz syrischer Kämpfer ist, um von sich selbst zu reflektieren.

Als wohl stichhaltigster Beweise gilt ein Video, welches am vergangenen Samstag veröffentlicht wurde. Darin ist zu sehen, wie mehrere Pick-Ups mit arabisch- und türkischsprachigen Kämpfern auf einer Straße entlangfahren, begleitet von einem „AIL Storm“-Jeep aus israelischer Produktion. Also aus jenem Land, welches als wichtiger Handelspartner große Mengen an Waffen und anderes Kriegsgerät an Aserbaidschan liefert, darunter derartige Fahrzeuge. Zudem konnte dieser Ausschnitt erfolgreich lokalisiert werden, demnach wurde das Video nahe der aserbaidschanischen Grenzstadt Goradiz aufgenommen, welches nur wenige Kilometer von der iranischen und karabachischen Grenze liegt. Neben den Pick-Ups, welche üblicherweise von der sogenannten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) genutzt werden, sind auch die Uniformen auffällig. Viele tragen ein Barett, welches normalerweise von den pro-türkischen Organisationen wie „Sultan Murad“ oder der „Hamza-Division“ getragen werden und innerhalb den aserbaidschanischen Streitkräften ungewöhnlich ist. Außerdem nutzen sie typische islamistische Rhetorik („Allahu Akbar!“) und Gestik (den gehobenen Tawheed-Finger), wobei das nicht spezifisch syrisch ist.

Die Wahl der Hamza-Divison oder Sultan Murad wäre seitens der Türkei die beste Entscheidung, da es sich wohl innerhalb des Milizenbündnisses der Syrischen Nationalarmee um die diszipliniertesten Kräfte handelt, obwohl sie ebenfalls oft an den Entführungen, Bestechungen oder Unterdrückung religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordsyrien beteiligt sind, allen voran gegen Kurden und Jesiden. Zudem haben viele Kämpfer einen turkmenischen Hintergrund. Diese Beschreibungen erinnern frappierend an die dschihadstischen Gruppierungen, die im letzten großen Krieg von 1992 auf der Seite Aserbaidschans standen. Dazu gehören afghanische Mujahideen wie Hezb-e-Islami Gulbuddin oder die faschistischen, pan-turanistischen Grauen Wölfe, welche ebenfalls von der Türkei unterstützt wurden. Sollten die syrischen Kämpfer als Besatzungsmacht auftreten, würden die christliche und armenische Bevölkerung brutalste Unterdrückung erleben.

Die Söldner werden in erster Linie im Norden Syrien aus den Reihen der sogenannten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) rekrutiert, welche von der Türkei als Milizenbündnis erschaffen wurde. Mithilfe jahrelangen Trainings, Waffenlieferungen und direkter Unterstützung halfen sie dabei, die Region von al-Bab vom Islamischen Staat und die Gebiete um Afrin und Tel Abyad von den Kurden zu erobern und zu ihrem eigenen Kernterritorium auszubauen. In diesen Gebieten können sie relativ frei regieren, insofern sie nicht den Herrschaftsanspruch der Türkei kritisieren. Die Kontrolle der SNA drückt sich in ausufernder Korruption, Anomie und ständigen Entführungen aus, welche dann von den Milizen wenig später für ein Lösegeld wieder befreit werden. Aufgrund dessen flohen Hunderttausende der ursprünglichen Einwohner aus der Region, während die Türkei sie durch syrische Flüchtlinge aus der Türkei ersetzt und damit einen demographischen Wandel hinweg einer kurdischen Mehrheit in der Grenzregion vorantreibt.

Der Einsatz syrischer Söldner in anderen Konfliktherden hat bei der Türkei inzwischen Konjunktur und wird zu einem integralen Bestandteil der Sicherheitspolitik. Die Türkei transportierte per Flugzeug Tausende Islamisten nach Libyen, wo sie die von der Türkei unterstützte westlibysche Einheitsregierung mit Mannstärke zum Sieg gegen die ostlibysche Tobruk-Regierung verhelfen. Gerade der libysche Konflikt ist von einem relativen Mangel an Truppenstärke geprägt, weshalb syrische Kämpfer ein wichtiger Faktor darstellen. Insbesondere bei der Schlacht um Tripolis waren sie für mehrere Frontabschnitte zuständig. Die Kämpfer erhalten im Gegenzug einen monatlichen Gehalt von etwa 2.000 US-Dollar, was für syrische Gehälter eine enorme Menge darstellt. Dennoch versuchten bereits vereinzelt Syrer, über den Umweg von Libyen nach Europa zu fliehen.

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