Kurdischer Widerstand in Afrin ununterbrochen

Als vor drei Jahren die türkische Armee mit der Unterstützung syrischer Islamisten den kurdischen Kanton Afrin im äußersten Nordwesten Syriens erobern konnte, war es nur ein kurzer Kampf. Jedoch hält bis heute eine Insurrektion in der Region an, die regelmäßig die „Besatzungskräfte“ in Afrin attackieren und regelmäßig für schwere Verluste sorgen, auch unter türkischen Truppen. Anschläge stehen inzwischen an der Tagesordnung, wobei die kurdischen Guerillakämpfer keinen Halt vor zivilen Zielen wie Marktplätzen oder Rathäusern machen. Gepaart mit der korrupten und instabilen Herrschaft syrischer Kräfte, die die meiste Zeit mit oppositionsinternen Gefechten beschäftigt sind, bleibt Afrin eine gefährliche Region für die Anwohner, die nach der Vertreibung der Kurden von der Türkei angesiedelt wurden.

Der kurdische Widerstand bildet sich in erster Linie in zwei verschiedene Gruppierungen, dessen Hintergründe und Organisation sind aber unbekannt. Zuerst gründete sich „Wrathes of Olives“ (WoA), welches angeblich aus den ehemaligen arabischen SDF-Verbänden aus Afrin besteht und zunehmend einfachere Überfälle oder Anschläge mithilfe von Autobomben oder Motorrädern durchführt. Im Kontrast dazu steht die wesentlich professionellere „Afrin Liberation Forces“ (ALF), welche wiederum enge Verbindungen mit der YPG besitzen soll und inzwischen hinter dem Gros der Angriffe steckt. Sie erhält dabei auch Bewaffnung und Feuerunterstützung von der syrischen Armee, so soll es bereits mehrmals zu Artillerieunterstützung gekommen sein.

Aktuelle Beispiele hierfür ist der Angriff auf einen Militärvorposten der „Syrischen Nationalarmee“ (SNA), die von der Türkei aufgebaute und finanzierte Stellvertreterarmee in Syrien, welches eher ein loses Bündnis verschiedener Milizen darstellt, wo man mithilfe von Panzerabwehrwaffen mehrere Fahrzeuge zerstörte oder mit improvisierten Drohnen kleine Mörsergranaten einsetzte. Nahe einem SNA-Militärstützpunkt in dem Dorf Taranda detonierte eine Autobombe, die mehrere Kämpfer tötete. Auch vor dem türkischen Militär wird kein Halt gemacht, so wurden innerhalb eines Monats mindestens sechs türkische Soldaten ermordet, in erster Linie durch Scharfschützen oder den Einsatz von Raketen. Das türkische Verteidigungsministerium spricht dabei von einer wesentlich niedrigeren Zahl verglichen mit den Angaben von WoA oder ALF.

Die Unterstützung für die verschiedenen kurdischen Guerillagruppen und dem Widerstand generell nährt sich auch aus der destruktiven Wut der Islamisten. Derzeit versucht man die weitläufigen Olivenplantagen zu zerstören und die dadurch entstandenen Hölzer gewinnbringend in die Türkei zu verkaufen. Afrin ist nicht nur bekannt für seine Olivenbäume, auch haben Oliven vor Ort eine enorme symbolische Bedeutung (nicht umsonst nannte die türkische Armee ihre Offensive in Afrin „Operation Olivenzweig“). Immer wieder entstehen Brände auf den Plantagen, die den Aufständischen zugeschrieben werden. Türkische Unternehmer brüsten sich damit, Olivenöl aus Afrin international weiterzuverkaufen. Die noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Eisenbahnstrecken werden von verschiedenen Organisationen abgebaut und das Metall eingeschmolzen, alles für den eigenen Gewinn.

Außerdem gibt es Berichte von ständigen Entführungen und Denunziationen von kurdischen Einwohnern, um die arabischen Flüchtlinge aus den anderen Teilen Syriens zu bevorteilen. So entführten Islamisten eine Familie und verlangte vom Vater Lösegeld, ansonsten werden sie umgebracht. Wenige Wochen später wurde die Familie tot aufgefunden. An einem Kontrollpunkt wurden zwei Zivilisten zunächst gefangen genommen und daraufhin exekutiert.  Kurdische Bewohner werden zwangsenteignet und die Wohnungen daraufhin Flüchtlingen aus Ost-Ghouta gegeben. Währenddessen leben weiterhin etwa 150.000 Afrin-Einwohner in der Aleppo-Provinz, zwischen Tel Rifaat und der Millionenstadt Aleppo selber, in Flüchtlingslagern und besitzen keinen Zugang zu einer humanitären Versorgung.

Ein weiterer Ausdruck der gegenwärtigen Situation sind die ständigen Gefechte zwischen Polizei, Sicherheitskräften und der syrischen Nationalarmee. Am 28. April brachen in der gleichnamigen Provinzahauptstadt Afrin Gefechte zwischen den Milizen von Sultan Murad und Ahrar al-Sham aus, wodurch es zu mehreren Attentaten am Tage und Scharmützeln gekommen ist, wodurch auch Zivilisten getötet wurden. Derartige Kämpfe um Macht und Ressourcen sind keine Seltenheit, auch da die Türkei offenbar kein Interesse an einer Befriedung der Situation hat. Diese konzentrieren sich eher auf den Ausbau eigener Institutionen, z.B. werden in der ehemalig säkularen Region in jedem Dorf Moscheen errichtet und Glaubenszentren mit türkischen Imamen errichtet. Hinzu kommt der Währungswechsel zur türkischen Lira und die Errichtung eines gemeinsamen Stromnetzes, wodurch eine immer stärker werdende Abhängigkeit zum nördlichen Nachbarland entsteht.

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