In Idlib bröckelt der Frieden

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Tahrir al-Sham nutzt Raketen gegen Armeestellungen

Die zwischen Iran, Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenruhe bzw. „Deeskalationszone“ in der letzten, noch von Islamisten kontrollierten Provinz Idlib durchgeht derzeit ihre kritischste Phase, nachdem die Syrisch-Arabische Armee über mehrere Tage hinweg Artillerie- und Luftangriffe auf feindliche Positionen flog. Die Opposition reagierte darauf mit eigenem Artillerie- und Mörserbeschuss, in dessen Folge auf beiden Seiten Zivilisten gestorben sind.  Die Entwicklungen der letzten Tage können gepaart mit neuen Gerüchten auf eine bevorstehende Offensive der syrischen Streitkräfte mit türkischer Akzeptanz auf Idlib hindeuten, um die das dortige Problem endgültig zu lösen. Dennoch bekräftigten die drei Verhandlungsmächte den derzeitigen Idlib-Deal.

Über die vergangenen Tage hinweg intensivierten sich auf beiden Seiten der Frontlinie der feindliche Beschuss. Die syrische Armee setzt inzwischen vermehrt Streumunition bei ihren Artillerie- und Luftangriffen ein, ein Novum bisher. Attackiert wurden verschiedene Orte, darunter Hochburgen von islamistischen Gruppierungen wie Tahrir al-Sham oder Jaish al-Izzah, z.B. Khan Sheikhoun, Maraat al-Numan, Kafr Zita oder Lataminah. Dabei wurden nach oppositionellen Angaben etwa zwei Dutzend Zivilisten getötet. Betroffen sind vor allem das stets umkämpfte Nord-Hama und der Westen der Provinz Aleppo.

Unter der Führung von Tahrir al-Sham, der pro-türkischen „Nationalen Befreiungsfront“ und Jaish al-Izzah reagierten die Aufständischen mit dem Einsatz von Mörsern, Artillerie und Raketen auf Städte und Dörfer unter Regierungskontrolle. Bisher scheint es kein Ende vom gegenseitigen Beschuss zu geben, auch die aggressive Rhetorik von beiden Seiten hat zugenommen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die seit letztem Jahr anhaltende Waffenruhe nun endgültig ihr Ende finden könnte.

Schon seit mehreren Wochen erreichen immer neue Verstärkungen, vor allem von der syrischen Armee aber auch von verbündeten Milizen, die Frontlinien nahe Idlib, vor allem in Süd-Aleppo sollen viele Truppen positioniert worden sein. Auch Gerüchte wurden verbreitet, so heißt es aus Kreisen der syrischen Militärs, dass die Türkei zukünftig ihre Grenzen bzw. Grenzübergänge zu Idlib schließen werden, ein Beleg für die intensive Kooperation zwischen der Türkei und seinem südlichen Nachbarn. Erst vor zwei Tagen veröffentlichte die Türkei und Russland eine gemeinsames Positionspapier, in denen man „entschiedene Maßnahmen“ bezüglich Idlib ankündigt. Inwiefern tatsächlich aber etwas geschieht, bleibt abzuwarten.

Russland und die Türkei einigten sich vor einigen Monaten gemeinsam auf eine etwa 15 bis 20 Kilometer breite „demilitarisierte Zone“ entlang der Frontlinien in den Provinzen Idlib, Hama und Aleppo. Diese Pufferzone soll eine militärische Eskalation der derzeitigen Situation in Idlib verhindern, die letzte von der Opposition bzw. Islamisten gehaltene Provinz in Syrien. Die Kontrolle sollen dann türkische und russische Patrouillen in einem Gebiet übernehmen, welches vom Latakia-Gebirge bis an die Großstadt Aleppo reicht. Mit diesen Verhandlungen konnten beide Länder eine lange vorbereitete und angekündigte Großoffensive der Syrisch-Arabischen Armee zumindest vorerst aufhalten. Sollten sich die Gerüchte über eine bevorstehende Operation bewahrheiten, so könnte sie für die syrische Regierung eine langfristige Lösung des Idlib-Problems bedeuten und würde damit die Opposition vollständig aus Syrien vertreiben.

 

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