Neue Großoffensive in Libyen gestartet

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Der Kommandant der „Libyschen Nationalarmee“ (LNA), General Khalifa Haftar unter der Führung der ostlibyschen Tobruk-Regierung, verkündete am Freitag eine groß angelegte Militäroffensive auf die libysche Hauptstadt Tripolis, welche seit Ausbruch des Bürgerkrieges von der sogenannten „Einheitsregierung“ (GNA) kontrolliert wird und als konkurrierende Macht in Libyen auftritt. Auch wenn es seit der Militäroperation im April nicht zu einer Waffenruhe gekommen ist, nahmen die Gefechte in der Umgebung von Tripolis in ihrer Intensität erheblich ab und stattdessen wurden mehrere diplomatische Versuche gestartet, die Situation zu entschärfen. Diese Gespräche sind aber nun zusammengebrochen, beide Seiten sehen sich dank ausländischer Unterstützung siegessicher.

Es gab wenig Optimismus für die in Berlin andauernden Friedensverhandlungen, immerhin sind die Kämpfe nie erloschen und beide Seiten waren ungewollt, ihre Ansprüche aufzugeben. Somit ist es nun wenig überraschend, dass Haftar eine neue Offensive auf die Großstadt Tripolis ankündigte, Eine der wenigen Orte, die von der Einheitsregierung im Nordwesten des Landes gehalten werden. In der letzten Militäroperation blieben die militärischen Erfolge aus, über Monate hinweg war der Süden von Tripolis von ständigen Vorstößen und Rückzügen von beiden Fraktionen geprägt, letzten Endes konnten die Milizen der Einheitsregierung ihre Territorien größtenteils halten, die LNA unter hohen Verlusten eine wenige Orte sichern.

In den ersten zwei Tagen der Großoffensive kam es zu schweren Gefechten direkt südlich von Tripolis und nahe der Stadt Ain Zara, nachdem Kampfverbände der Nationalarmee mehrmals versuchten, vorzurücken. Dabei konnten mehrere Fahrzeuge und auch ein türkischer Luftabwehrpanzer zerstört werden. Dabei setzt die LNA auf Eine ihrer stärksten Waffen: Eigene Kampfjets. Die Einheitsregierung musste im Sommer massive Verluste hinnehmen, nachdem ihre Flughäfen und Kampfjets attackiert und eliminiert wurden. Zwar konnten sie zunächst Gebiete gewinnen, mussten sich aber in der vergangenen Nacht wieder zurückziehen. Auch für die derzeitige Offensive gibt es ernsthafte Zweifel über den Erfolg und die Effektivität, auch da die GNA massiv aufgerüstet hat.

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Bild der abgeschossenen Aufklärungsdrohne aus türkischer Produktion

Denn die Türkei nimmt eine immer wichtiger werdende Rolle im libyschen Konflikt ein und entpuppt sich als stärkster Unterstützer für die Einheitsregierung, die sie massiv mit Waffen und Training versorgen. Vor rund zwei Wochen einigten sich sogar beide Regierungen auf eine gemeinsame Grenze in den Meereszonen, die mitten durch das Mittelmeer verläuft und dabei die Gebietsansprüche bzw. Hoheitsrechte von Griechenland und Zypern völlig ignoriert, selbst Israel und Syrien sind davon betroffen. Aufgrund dessen wurde der griechische Botschafter in Tripolis einberufen. Hinzu kommt, dass die Einheitsregierung nicht mal jene Küstengebiete kontrolliert, auf die man sich mit der Türkei geeinigt hatte und dementsprechend dieser Plan nicht faktisch umzusetzen ist.

Unabhängig davon stellt die Türkei massiv Gelder und Waffen für die verschiedenen Milizen unter dem Bündnis der Einheitsregierung bereit, beispielhaft dafür ist die massive Drohnenflotte, dafür übergab die Türkei dem Land Dutzende Aufklärungsdrohnen, ein Operationszentrum und das benötigte Training. Trotzdem kann die Libysche Nationalarmee, auch dank der Unterstützung des Auslands, mehrere dieser Drohnen aus türkischer Produktion abschießen, erst gestern wurde eine Bayraktar BR2-Aufklärungsdrohne über der Stadt Ain Zara abgeschossen. Die Türkei erklärte sogar Bereitschaft dafür, in Folge eines Militärabkommens eigene Truppen in Libyen zu stationieren.

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Die Tobruk-Regierung unter Kahlifa Haftar kontrolliert etwa 80% des Landes, ein Großteil davon ist jedoch Wüste. Die dortige Koalition bestand zunächst aus verschiedenen Milizen, welche sich jedoch auch aufgrund internationaler Hilfe zunehmend professionalisierten und inzwischen in Form der „Libyschen Nationalarmee“ zu den stärksten Streitkräften auf dem libyschen Schlachtfeld gehören. Dennoch agieren viele Milizen unter dem Schirm der LNA weiterhin unabhängig. Haftar verschrieb sich persönlich primär der Bekämpfung von islamistischen Kräften im Land, so wurden über mehrere Jahre und Monate hinweg Städte wie Benghazi oder Dernah aus den Händen des Islamischen Staates, al-Qaidas oder lokaler Islamisten befreit. Unterstützt wird er dabei vor allem durch Russland, das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Frankreich, welches zunehmend gute Beziehungen zu Haftar aufrecht erhält, nachdem er für eine Notoperation nach Frankreich transportiert wurde. Zudem ist er amerikanischer Staatsbürger, nachdem er erfolglos gegen Ghadaffi 1989 geputscht hatte und die USA ihm eine Zuflucht anbot.

Auf der anderen Seite befindet sich die sogenannte „Einheitsregierung“, welche von der UN als legitimer Vertreter des libyschen Staates angesehen wird. Im Vergleich zur Tobruk-Regierung existiert eine niedrigere militärische und politische Einheit, immer wieder versuchen lokale Milizen aus den verschiedenen Vorstädten von Tripolis um die Herrschaft zu buhlen und attackierten auch mehrmals die örtlichen „Tripolis Protection Force“. Die verschiedenen Milizen vor Ort haben die tatsächliche Macht in der Region, die Regierung unter al-Sarraj ist vergleichsweise machtlos und auf die internationale Unterstützung angewiesen. Der Konflikt zwischen der Einheits- und Tobruk-Regierung ist aber nicht nur Ausdruck geopolitischer Machenschaften, sondern zeigt die weiterhin bestehende Aufteilung des Landes in das ostlibysche Cyranaika und westlibysche Tripolitanien auf, die die angespannten Beziehungen der Regierungen und Bevölkerung stärken.

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