USA sucht im Irak die Eskalation

 

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Entgegen mehrerer Ankündigungen von Seiten der amerikanischen Regierung, eine Deeskalation nach dem gestrigen Luftangriff auf Qassem Soleimani, dem Anführer der Quds-Brigade, die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarde für exterritoriale Operationen, und weitere Kommandanten der irakischer Milizen erwirken zu wollen, soll die USA die zweite Nacht in Folge wichtige Mitglieder der irakischen Streitkräfte attackiert haben. Die anhaltenden Aggressionen der westlichen Macht sorgen im Land selber für Widerstand, während iranische Verbündete zu Terroristen erklärt werden, bewaffnen sich alte Feinde und fordern den Abzug sämtlicher Besatzungstruppen aus dem Irak. Die Bildung einer neuen Einheitsfront gegen die USA könnte den letztendlichen Einflussverlust im westlichen Nachbarland des Irans bedeuten. 

Es tauchten in der vergangenen Nacht mehrfache Berichte von Luftangriffen auf, die gezielt Militärkonvois oder Mitglieder des sogenannten Dachverbandes „Hashd al-Shaabi“, auch bekannt als die „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU), attackierte und bisheriger Darstellung zufolge mindestens sechs Kämpfer tötete, bisher kam es zu keinen näheren Identifizierungen der Opfer. PMU entstand als Reaktion auf den Aufstieg des Islamischen Staates im Irak und rekrutierte sich in erster Linie aus dem schiitischen Süden, wobei auch andere Religionsgruppen und Ethnien ihre eigenen Milizen als Teil von Hashd al-Shaabi bildeten. Nach dem Sieg über den IS wurden sie von der Regierung in die regulären Streitkräfte des Landes integriert und stellen seit jeher einen integralen Bestandteil des irakischen Sicherheitsapparates dar. Die nahe der Stadt al-Taji stattgefundenen Bombardements sollen zwei Militärfahrzeuge der PMU zerstört haben, die eigener Darstellung zufolge zwei Rettungswagen waren, die getöteten Kämpfer Mediziner.

Die Anti-IS-Koalition unter amerikanischer Führung selber widerspricht den Angaben, im Raum von al-Taji Luftoperationen durchgeführt zu haben, jedoch gelten andere US-Institutionen wie das Pentagon selber als wesentlich wahrscheinlichere Täter. Es gab zudem noch Berichte von Luftangriffen im nordirakischen Sinjar, wofür es aber keine näheren Details gibt. Die Region ist das Siedlungsgebiet der Jesiden, zudem konnte die kurdische PKK dort eine wichtige Präsenz aufbauen, welche dort ein Stillhalteabkommen mit der irakischen Regierung besitzen. Dementsprechend oft bombardiert auch die Türkei Sinjar. Außerdem soll die USA auch noch in der Nähe von Mossul Angriffe geflogen haben, jedoch gibt es für die letzten zwei Orte keine Beweise für derartige Operationen. Alle drei Ziele sollen den Streitkräften von Hashd al-Shaabi gegolten haben, welche teilweise intensive Beziehungen mit dem Iran besitzen und als lokale Verbündete auftreten.

Verschiedene schiitische Milizen wie Kataib-Hisbollah, dessen ehemaliger Anführer Abu al-Muhandis durch die USA getötet wurde, oder der Iran selber stellen sich auf die gleiche Rhetorik eines „Rachefeldzuges“ ein, teilweise wird sogar zu „Märtyreraktionen“ aufgerufen, also zu Selbstmordattentätern gegen die USA. Schiitische Gruppen haben zuletzt vor rund 30 Jahren derartige Taktiken eingesetzt, ein dementsprechend großer Bruch würde dies mit der gegenwärtigen Ideologie darstellen. Ebenso besonders ist das erstmalige Hissen der roten Flagge über die Jamkaran-Moschee im Iran, eine der wichtigsten Wallfahrtsorte im schiitischen Islam. Die Flagge steht für die Erwartung eines bevorstehenden, schweren Krieges.

Doch auch fernab von militärischen Aktionen verschärft sich die gegenwärtige Situation. Die USA erklärte Asaib Ahl al-Haq zu einer terroristischen Organisation, da sie enge Beziehungen mit der iranischen Regierung führt. Al-Haq ist in eine politische Partei, welche in einer Fraktion mit der Fatah-Allianz insgesamt 13% bei den letzten Parlamentswahlen gewann und damit auch Teil der Regierung ist. Zudem besitzt sie wie viele Parteien im Nahen Osten einen militärischen Ableger mit dem gleichen Namen. Der Vorsitzende der Fatah-Allianz, Hadi al-Amiri, wurde nach dem Tod von Abu Mahdi al-Muhandis durch die letzten amerikanischen Luftangriffe zum neuen Anführer von Hashd al-Shaabi gewählt, er selber gehört als Mitglied der Badr-Organisation zu den größten Gegnern der amerikanischen Präsenz im Irak.

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Erste Sitzung der Mahdi-Armee unter Einberufung von al-Sadr

Zudem kündigte der schiitische Gelehrte Muqtada al-Sadr die Wiederbelebung der Mahdi-Armee an, welche von 2003 bis 2008 die größte Widerstandsgruppierung gegen die amerikanische Besatzung des Landes darstellte und selber Zehntausende Mitglieder aus der schiitischen Bevölkerung zählte. Vor dem Tod Soleimanis war al-Sadr das typische Beispiel eines Nationalisten, welcher auch die Unabhängigkeit des Iraks vom iranischen Einfluss bewahren wollte. Nun aber scheint sich seine Haltung geändert zu haben, bei der Beerdigung von Qassem Soleimani traf er sich unter anderem mit dem ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und Hadi al-Amiri.

Ohnehin ist die Beerdigung das wohl wichtigste Ereignis derzeit. Hunderttausende Menschen in der gesamten Region gingen auf die Straße, um den Märtyrertod von Qassem Soleimani zu betrauen, selbst in Pakistan gab es mehrere Proteste. Der vier Tage andauernde und sich über zwei Länder erstreckende Beerdigungszug von ihm und Abu al-Muhandis ist ein wichtiges Symbol für die Einheit des Iraks und auch der irakisch-iranischen Beziehungen, immerhin starben sie beide als Repräsentanten ihrer jeweiligen Nation. Der Tod von al-Muhandis rief sogar in den nationalistischen Lager Zorn hervor, so kritisierten beispielsweise die der Regierung oppositionellen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Baghdad seine Ermordung. Auch der derzeitige irakische Premierminister Abdi al-Mahdi war bei der Beerdigung anzutreffen. Derweil möchte das Parlament über das Wochenende entscheiden, ob amerikanische Truppen aus dem Irak abgezogen werden.

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