In Marib entscheidet sich das Schicksal Jemens

Vor mehreren Monaten starteten die zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen (auch bekannt unter ihrem offiziellen Namen „Ansar Allah“) einen Großangriff auf die von der Exilregierung gehaltene Stadt Marib, welche sich im Verlaufe des jemenitischen Konfliktes zu einem Stabilitätsanker und Zufluchtsort von Millionen Flüchtlinge entwickelt hat und nun das zukünftige Schicksal des Jemens entscheiden könnte. Denn die gleichnamige Provinz würde für die Houthis das Tor zum wüstenreichen Osten des Landes öffnen, in jenes Gebiet, welches den einzigen geöffneten Grenzübergang zu Saudi-Arabien und die Ölfelder des Landes besitzt.

Eigentlich besitzt die Stadt Marib lediglich 20.000 Einwohner. Diese Bevölkerungszahl konnte sich aber in Folge des Krieges vervielfachen, einigen Schätzungen zufolge halten sich zwei Millionen Flüchtlinge in der Provinz auf. Grund hierfür ist die Herrschaft der Islah-Partei, der inoffizielle jemenitische Ableger der Muslimbruderschaft. Diese konnte bisher relativ erfolgreich mit ihren Gebieten aus den Gefechten heraushalten, auch wenn sie die Exilregierung unter Präsident Mansour Hadi unterstützen. Die Islah-Partei musste jedoch enorm an Einfluss einbüßen, insbesondere seit Anbeginn der Houthi-Offensive.

Die Eroberung von Marib würde viele neue Fronten eröffnen, darunter ein Angriff auf den letzten Grenzübergang zu Saudi-Arabien, al-Wadiah. Zudem liegen dort viele Bohrtürme und Raffinerien, welches eine der letzten Einnahmequellen für die jementische Regierung darstellt. Gerade in der Wüste im Osten des Jemens wäre es aufgrund der schieren Größe nahezu unmöglich, dauerhafte Verteidigungen und Patrouillen einzusetzen und somit wichtige Ressourcen von den aktiven Frontlinien im Südwesten des Landes abzuziehen. Stattdessen würden kleinere Verbände an Houthi-Kämpfern die Grenzstädte zur Wüste attackieren, ähnlich den Taktiken des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak.

Trotz diverser Erfolge könnte sich eine tatsächliche Sicherung von Marib aber als langwieriges Unterfangen herausstellen. Derzeit stoßen die Houthi-Rebellen auf zwei Achsen in Richtung Marib vor. Einmal existiert die westliche Frontlinie, dort befinden sich die Kämpfer von Ansar Allah etwa 50 Kilometer von den Stadttoren entfernt. Das Gebiet ist wie die gesamte Region von Wüste und Gebirgen geprägt, weshalb das Vorrücken sich als äußerst schwierig gestaltet. Das letzte große Hindernis auf dem Weg nach Marib heißt Maas, ein provisorisch errichtetes Militärlager, einst unter der Kontrolle Saudi-Arabiens und inzwischen von den verschiedenen Milizen und der jemenitischen Armee übernommen. Bisher konnte sich dieses Lager erfolgreich halten, obwohl die Houthis inzwischen auf drei Seiten auf die Basis vorrücken.

Die zweite Front stellt der Süden dar, von dort aus konnten die schiitischen Aufständischen beachtliche Erfolge in den vergangenen Wochen und Monaten vorweisen. Auch wenn es noch 70 Kilometer bis nach Marib sind, konnten sie dort ein über 1600 Quadratkilometer großes Gebiet erobern, welches zuvor unter der Kontrolle der jemenitischen Exilregierung und der Terrororganisation „al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ stand. In Folge dessen erklärten einige arabische Stämme sich dazu bereit, Verhandlungen mit den Houthis aufzunehmen, sodass deren Gebiete in Ruhe gelassen werden. Trotz diesen Umstandes gelten die verbliebenen Stämme von Marib als relativ regierungstreu, eine Chance auf eine friedliche Übernahme ist sehr unwahrscheinlich.

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