Viel Lärm um nichts

Das vor wenigen Tagen beschlossene „Friedensabkommen“ zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain mit den USA in Vermittlerrolle wird oft als „Jahrhundertdeal“ bezeichnet, der eine Möglichkeit für Frieden in dem Konflikt zwischen Israel und Palästina bietet. In Wirklichkeit ist dieser Vertrag nicht mehr als Ausdruck der realpolitischen Verhältnisse im Nahen Osten den entsprechenden geopolitischen Gegebenheiten. Die Kooperation zwischen Israel und diversen Golfstaaten in vielen Fragen ist ein offenes Geheimnis, dieses neue Friedensabkommen zwischen Staaten, die niemals im Krieg waren, ist lediglich eine Offenbarung dieser Allianz, welche gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung entschieden wurde. Dementsprechend begrenzt ist auch die Vermittlerrolle der Vereinigten Staaten, welche sich jetzt als der große Diplomaten porträtieren.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain haben im Beisein von US-Präsident Donald Trump die Normalisierung der Beziehungen mit Israel besiegelt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Außenminister der VAE und Bahrains, Abdullah bin Sajid und Abdullatif al-Sajani, unterzeichneten im Garten des Weißen Hauses in Washington verschiedene Abkommen, mit denen der Frieden, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die „volle Normalisierung“ der Beziehungen vereinbart wurden. Im Anhang verkündete Donald Trump stolz, dass mindestens fünf weitere Staaten in der Region darauf warten, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Mit Bahrain und den VAE sind es nun insgesamt vier arabische Staaten, die Kontakt zu Israel unterhalten: Bahrain, die Emirate, Ägypten und Jordanien.

Der größte Verlier sind wohl die Palästinenser und diejenigen, dich sich einen freien und souveränen Staat im Levante erhoffen. Zwar war ein integraler Bestandteil des Friedensabkommens, dass Israel bis 2024 keine neuen Gebiete im Westjordanland annektieren bzw. besiedeln wird. Jedoch kündigten israelische Diplomaten im selben Atemzug an, von diesem Datum aus die palästinensische Behörden dazu zu bewegen, den „Trump-Friedensdeal“ zu akzeptieren, welcher ein faktisches Ende eines palästinensischen Staates bedeuten würde. Für die Golfstaaten, welche die Palästinenser ohnehin nur halbherzig unterstützten, ist das kein großer Verlust, mehr als diplomatischer Protest bleibt ihnen nicht. Stattdessen erhalten sie gute Beziehungen zu einem starken Israel und können sich mit der Verschiebung auf 2024 als „Retter und Friedensbewahrer“ inszenieren.

Innerhalb der Bevölkerung des Bahrains und der Vereinigten Arabischen Emirate wird diese Überzeugung aber nicht geteilt. Stattdessen kam es nach langen Pausen in Bahrain erstmals wieder zu größeren Protesten, obwohl die Monarchie des Landes jegliche Opposition brutal niederschlägt. Insbesondere Schiiten, die die Bevölkerungsmehrheit unter der sunnitischen Führung des Königshauses ausmachen, gehen auf die Straßen, nachdem sie bereits 2011 massenweise gegen ihre religiösen Repressionen demonstrierten. In den Vereinigten Arabischen Emiraten kommt es bisher nicht zu öffentlichen Kundgebungen, jedoch zeigen inoffizielle Umfragen des „Washington Institute“ ein klares Bild: Bis zu 80% der Bevölkerung lehnen eine Normalisierung der Beziehungen ab. Von diesem Unmut in den Ländern könnte gerade der Iran profitieren, welcher im Falle des Bahrains ohnehin auf seine schiitischen Kontakte wie z.B. zum exilierten Oppositionsführer Ajatollah Isa Qassim setzen kann.

Kleinere Protestzüge in den Straßen Bahrains gegen das Israel-Abkommen

Aus der neuen, alten bahrainischen Oppositionsbewegung, die nun in Folge des Abkommens entsteht, offenbart die Mehrheitsmeinung vieler Araber gegenüber der bestehenden und kommenden Annäherung an Israel. In Ländern, in denen es auch nur einen Funken Redefreiheit gibt, oder im Falle Bahrains, wo es sie früher gab, kommen die tatsächlichen Meinungen der arabischen Welt über die Beziehungen zu Israel zum Vorschein. Während der Westen darüber spricht, dass die arabische Welt der palästinensischen Sache überdrüssig geworden ist, ist es wichtig, von den Meinungen arabischer Königshäuser nicht auf die Meinungen von Millionen arabischer Bürger unter ihrer Kontrolle zu schließen.

Dass die Vereinigten Arabischen Emirate als erster Golfstaat die Beziehungen zu Israel normalisiert, ist wenig überraschend. Gerade die beiden Länder haben in den vergangenen Jahren insgeheim zusammengearbeitet, darunter auch auf militärischer Ebene. Die VAE haben dutzende israelische Kampfdrohnen wie die Dominator-Drohnen aus dem Jahre 2009 gekauft und mit der Unterstützung mehrerer israelischer Sicherheitsunternehmen wie Aeronautics Ltd. oder Logic Industries Ltd. eigene Verteidigungssysteme aufgebaut, darunter neue und eigene Drohnen, Radarsysteme und eigene Spionageflugzeuge. Bahrain hatte bereits vor 20 Jahren die erste israelische Delegation willkommen geheißen, nach vielen inoffiziellen und offiziellen Treffen ist das Friedensabkommen nur das erwartete Ergebnis dieser langen Vorbereitung.

Ein weiterer Faktor der bereits bestehenden Zusammenarbeit sind die geostrategischen Interessen. In diesen rückt nicht nur der Iran in das Fadenkreuz, sondern neuerdings auch die Türkei. Ein Beispiel hierfür ist der libysche Konflikt, in dem Israel und Länder wie die VAE oder Saudi-Arabien die ostlibysche Tobruk-Regierung und die Libysche Nationalarmee unter der Führung Khalifa Haftars mit riesigen Waffenlieferungen und Trainingsprogrammen unterstützen, während die Türkei die westlibysche „Einheitsregierung“ unterstützt. Libyen ist nur ein Schlachtfeld, auf dem die Türkei Gruppierungen unterstützt, die die jeweiligen Landesableger der Muslimbruderschaft darstellen. Diese enge Kooperation zwischen AKP und Muslimbruderschaft ist den Golfstaaten ein Dorn im Auge, da sie sich in traditioneller Feindschaft mit den Monarchien der arabischen Staaten befindet, während Israel mit Hamas als palästinensische Version der Muslimbruderschaft verfeindet ist. Beide Blöcke profitieren also von einer Kooperation, die sich gegen den gemeinsamen Feind richtet.

Hinterlasse einen Kommentar