Neue Drohnen- und Raketensalven auf Saudi-Arabien

Mit noch nie dagewesener Intensität und Qualität prasseln Drohnen und Raketen der jemenitischen Houthi-Rebellen auf die verschiedensten Teile Saudi-Arabien herab, noch nie musste das nördliche Nachbarland des Jemens derart große Schäden erleiden wie in den letzten Tagen, in denen der Konflikt zwischen den zaidisch-schiitischen Aufständischen und dem großen Golfstaat wieder eskaliert. Inzwischen tagtäglich treffen die Waffensysteme der Houthis, offiziell unter dem Namen „Ansar Allah“ bekannt, verschiedenste Orte innerhalb Saudi-Arabiens, vor allem Flughäfen, militärische Basen und Infrastruktur zur Erdölgewinnung sind populäre Angriffsziele dieser Operationen, die in einem unbekannten Ausmaß vom Iran unterstützt werden, während die USA und Saudi-Arabien die iranische Regierung als die tatsächlichen Täter betrachten. Der angegriffene Staat reagiert auf die Drohnenangriffe mit zunehmender Eskalation im Jemenkonflikt und kehrt zu direkten militärischen Aktionen zurück, unter anderem mit Luftschlägen auf die von den Houthis kontrollierte Hauptstadt Sanaa.

Die neueste große Salve an Angriffen auf Saudi-Arabien begann am Sonntag, als Anwohner der über 1000 Kilometer vom Jemen entfernten Hafenstadt Dhammam im Osten des Landes den Einsatz von Luftabwehrsystemen, mehrheitlich aus amerikanischer Produktion, vermeldeten. Houthi-Angaben zufolge wurden insgesamt 14 Drohnen und acht ballistische Raketen auf den Ort mit der Absicht gestartet, die dort wichtigen Raffinerien des staatlichen Unternehmens Aramco zu zerstören und damit die Ereignisse von Khurais aus dem Jahre 2019 zu wiederholen, als Drohnen der Houthi-Rebellen ähnliche Anlagen zerstörte und dies zum weltweiten Anstieges des Ölpreises führte und etwa 50% der Landesproduktion unterbrochen war. Wenig später veröffentlichte Satellitenbilder zeigen jedoch, dass der angerichtete Schaden eher minimal war, offenbar wurde nur ein Teil der Hafenanlage schwer beschädigt. Parallel dazu soll es weitere Operationen in den Provinzen Asir und Jizan im Süden Saudi-Arabiens gegeben haben, wo ebenfalls mehrere Drohnen eingesetzt und Flughäfen und Militärbasen attackiert wurden. In diesem Falle gibt es kaum Informationen über den Erfolg dieser Mission, nur dass insgesamt in erster Linie „Kamikazedrohnen“ des Typs Qasef-2K und Sammad-3 verwendet wurden, während es sich bei den Raketenarten um die Badr und Thulfiqar handelte.

Wesentlich erfolgreicher waren die Angriffe am darauffolgenden Tag, vor allem da diesmal wesentlich näher gelegene Ziele bombardiert wurden. Ein Pressesprecher der jemenitischen Rebellen bestätigte den Einsatz einer neuen Rakete gegen den Internationalen Flughafen von Abha, welcher in Folge dessen seinen Flugverkehr dorthin unterbrechen musste. Weitere Drohnen und Raketen trafen die Stadt Khamis Mushait, welche neben einem Flughafen auch mehrere Militärbasen besitzt. Obwohl Saudi-Arabien von erfolgreichen Einsatz der Luftabwehr spricht, beweisen hier Satellitenaufnahmen das Gegenteil: Ein Gebäudekomplex in der Nähe des König-Khalid-Militärflughafens wurde in Folge der mehrtägigen Angriffe vollkommen zerstört. Auch in der Nacht zum Dienstag soll einen bis dato relativ ungeklärten Vorfall gegeben haben, wonach saudische Luftabwehr Ziele in der Umgebung der Küstenstadt Yanbu, unweit von Medina, eliminierte. Bisher gibt es von Seiten der Houthis keine Stellungsnahme dazu, jedoch gibt es in dem Ort wichtige Hafenanlagen, die für den Export von Erdöl in das Rote Meer essentiell sind.

Saudi-Arabien und die USA sind sich einig, dass zumindest die Drohnen- und Raketenangriffe fernab zum Jemen nicht durch die Houthis, sondern durch den Iran oder sogar irakische Milizen durchgeführt werden, auch wenn sie bisher keine Beweise für diese Behauptungen vorlegen konnten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Houthis den Großteil der Technologie für diese Waffen aus dem Iran und teilweise auch aus regulären erhältlichen chinesischen Drohnen beziehen, jedoch gestaltet sich der Import von Waffen oder Bauteilen aufgrund der vollständigen Blockade des Jemens durch die Arabische Koalition schwierig. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass die Houthis nicht nur eine simple Miliz darstellen, sondern dass auch ein größerer Teil der Staatsapparates seit 2011 sich den Aufständischen anschloss, insbesondere im Nordjemen. Aber auch Saudi-Arabien scheint mit amerikanischer Unterstützung aufzurüsten und effektiver gegen feindliche Projektile im eigenem Luftraum vorzugehen. Inzwischen veröffentlicht das Verteidigungsministerium des Landes vermehrt Videos, in denen der Abschuss von Houthi-Waffensystemen gezeigt wird, beispielsweise durch die Luftabwehrsysteme aber auch durch Kampfjets. Nichtsdestotrotz scheint eine faktische Abwehr Saudi-Arabiens bisher unmöglich, weshalb die Houthi-Operationen in Zukunft zunehmen werden, insofern sie den Großeinsatz wie in den letzten Tagen beibehalten können.

Seit mehreren Jahren ist Saudi-Arabien Raketen und Drohnenangriffen der jemenitischen Houthi-Rebellen ausgesetzt. Die quantitativ und qualitativ immer weiter zunehmenden Operationen beschränkten sich anfänglich auf die Grenzprovinzen und die Hauptstadt Riad, jedoch rücken mit der neuesten Technologie auch weiter entfernte Ziele in den Vordergrund, unter anderem die wichtigen Aramco-Produktionsanlagen in Dammam oder Yanbu, welche relevant für die Verarbeitung von Rohöl und deren Export in die Welt sind. Doch auch fernab von Produktionsanlagen gibt es für die Houthis lukrative Orte, die regelmäßig das Ziel von Angriffen waren. Zu den Höhepunkten zählt beispielsweise der Angriff auf den 1400 Kilometer vom Jemen entfernten Internationalen Khalid-Flughafen der Vereinigten Arabischen Emirate, ein Jahr später wurden Kameraaufnahmen veröffentlicht, welche die Zerstörung mehrerer LKWs auf dem Flughafengelände zeigen. Weitere nennenswerte Drohnenoperationen war ein Angriff auf das noch in Bau befindliche Atomkraftwerk in den VAE und auf Aramco-Anlagen in Khurais 2019, die die Produktion von Rohstoffen unterbrach und zu erhöhten Ölpreisen auf den globalen Handelsmarkt führte. Die „Drohnenflotte“ der jemenitischen Aufständische entwickelt sich zunehmend zur gefährlichsten Waffe im Kampf gegen die Mitglieder der Arabischen Koalition im jemenitischen Konflikt, welche vor allem auf die Technologie des Irans und Chinas aufbauen kann, die Houthis als quasi-funktionierender Staat auch auf eigene Waffenprogramme zurückgreifen kann.

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