Erste Anzeichen einer Entspannung im Nahostkonflikt

Auch weiterhin prägen Gewalt und Zerstörung den israelisch-palästinensischen Konflikt, welcher zuletzt vor fast zwei Wochen ausgebrochen ist. Hunderte Raketen diverser palästinensischer Organisationen regnen auf Israel herab, während das israelische Militär mit Luftangriffen auf den ganzen Gazastreifen reagiert, wobei beide Seiten keinen Halt vor zivilen Zielen machen: Wohnhäuser in Israel, Redaktionshäuser, Hauptquartiere humanitärer Organisationen und Hochhäuser in Gaza werden regelmäßig bombardiert, was den Tod von über 250 Zivilisten innerhalb eines solch kurzen Zeitraumes erklärt. Obwohl im Westjordanland und Libanon die Stimmung zunehmend eskaliert, gibt es erste Anzeichen einer Annäherung und eines möglichen Kriegsendes. Hamas hat sich zu Friedensverhandlungen unter ägyptischer Ägide bereit erklärt, während Israel zögert und weiterhin nicht all ihre Kriegsziele erreicht sieht. Dennoch hat die Intensität israelischer Angriffe abgenommen, auch weil ihnen rein militärische Ziele ausgehen.

Nichtsdestotrotz kommt es derzeit noch tagtäglich zum Austausch von Raketen durch beide Seiten, Hamas und andere palästinensische Gruppierungen nutzen weiterhin die quantitative Kraft Hunderter Projektile um das israelische Abwehrsystem „Iron Dome“ erfolgreich zu umgehen und Schäden in Zentral- und Südisrael zu verursachen. Dabei kommt es zu gezielten Angriffen wie z.B. auf das Kernforschungszentrum Negev, welches für das israelische Nuklearwaffenprogramm verantwortlich ist oder Flughäfen. Am Dienstag starben dadurch mehrere Zivilisten, darunter zwei thailändische Zeitarbeiter. Israel hingegen greift weiterhin den gesamten Gazastreifen an, vor allem konzentrieren sie sich in letzter Zeit auf die Zerstörung der sogenannten „Hamas Metro“, ein komplexes und weit verzweigtes Tunnelsystem unter ihrem Territorium. Ob dies in dem oftmals porträtierten Ausmaß tatsächlich existiert und Israel bezüglich der Eliminierung erfolgreich ist, bleibt ein Rätsel welches von Seiten offizieller Stellen nie beantwortet wird. Aber auch über dem Boden gibt es israelische Luftangriffe mit gemischten Ergebnissen. So kommt es neben der Zerstörung mehrerer Raketenabschussrampen auch zur Zerstörung ziviler Institutionen, so wurde das Büro der humanitären Hilfsorganisation „Palestine Children’s Relief Fund“ bombardiert, Ähnliches geschah mit dem Katarischen Roten Kreuz im Gazastreifen.

Dennoch scheint es zu den ersten Ermüdungserscheinungen auf beiden Seiten zu kommen. Am Dienstag erklärte sich Hamas erstmals zu Friedensverhandlungen bereit, nachdem ein ägyptisches Angebot vor einer Woche abgelehnt wurde. Die israelischen Luftangriffe sind dabei sicherlich effektiv und können einen großen Teil des Hama-Waffenarsenals eliminieren, was wahrscheinlich ebenfalls überzeugend für einen Frieden ist. Israel erklärte ihre militärischen Ziele noch nicht erfüllt, aber gesteht durch die seltener werdenden Luftangriffe indirekt ein, einen Ausweg aus dem Konflikt zu suchen. Außerdem beendeten sie ihre Bombardierungskampagne gegen Hochhäuser im Gazastreifen. Israel fehlt in erster Linie ein Gewinn in dem Konflikt, den man öffentlich zur Schau stellen kann und damit als „Sieger“ herauszugehen.

Trotz dieser Umstände scheint sich die Situation im Libanon und Westjordanland gegensätzlich zu entwickeln, dort gibt es immer wieder Forderungen nach einem Kriegseingriff. Vom Libanon aus startete eine unbekannte Gruppierung sechs Raketen auf Israel, welche jedoch noch im eigenen Land abstürzten. Das israelische Verteidigungsministerium reagierte eigenen Angaben zufolge mit Angriffen auf jenen Ort, von dem die Raketen angeblich gestartet wurden. Es ist sehr unwahrscheinlich dass die Hisbollah in diesem Vorfall involviert war, da sie neben dem Besitz tatsächlich bis nach Israel reichender Raketen auch derzeit keine Eskalation mit Israel suchen und sich bisher zurückgehalten haben. Im Westjordanland tauchten nach Jahren der Abwesenheit der militärische Arm der herrschenden Fatah, die al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, in der Öffentlichkeit wieder auf. Angeblich mobilisieren sie in den größeren Städten wie Ramallah, um gegen die „israelische Besatzung“ zu kämpfen. Ob diese tatsächlich den bewaffneten Kampf aufnehmen werden wird die Zeit zeigen, jedoch sieht man es als unwahrscheinlich an. Stattdessen werden wohl einige wenige Gruppierungen eine Drohkulisse gegenüber Israel aufbauen wollen.

Auch weiterhin wird der Konflikt nicht nur an den Frontlinien ausgetragen, sondern auch bis tief in Israel hinein. Die ethnische Unruhen manifestieren sich in verschiedensten Formen, insbesondere aber durch gewaltbereite Mobs, die in der Nacht durch die Straßen ziehen und vermeintlich jüdisch oder arabisch aussehende Personen attackieren oder deren Häuser in Brand stecken. Besonders schwer davon betroffen ist die Stadt Lod, wo es über die letzten Nächte hinweg zu schweren Ausschreitungen zwischen jüdischen und arabischen Anwohnern gekommen ist. Arabische Bürger kontrollierten faktisch die Ortschaft, blockierten Straßen, schossen auf Sicherheitskräfte, beschädigten Fahrzeuge und Gebäude, vorübergehend musste nach dem Rückzug der Polizei sogar der Notstand ausgerufen werden; das erste Mal seit 1966. Anderswo gab es ähnliche Situationen, in Acre wurde ein jüdisches Restaurant in Brand gesteckt, in Tuba Al-Zangariya eine Polizeistation attackiert, in Haifa Straßenblockaden errichtet. Anderswo kam es zu ähnlichen Szenarien durch israelische Juden, wo beispielsweise in Ramala alle Autos attackiert und bedroht wurden, die von Arabern gefahren wurden. Rechtsextreme Juden liefen durch Haifa und verprügelten dabei mehrmals mehrere Personen fast zum Tode, während die Polizei untätig daneben stand. Insgesamt offenbart der neue Ausbruch des Konflikt die bestehenden Spannungen im Land, welche selbst bei Ende der bewaffneten Auseinandersetzung nicht verschwinden werden.

Anlass für die neueste Runde an Eskalationen waren Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse mehrerer Häuser im Viertel Sheikh Jarrah, Ost-Jerusalem. In Folge der ständigen Kriege in der Region kam es zu ständigen Eigentumswechseln zwischen Arabern und Juden, bis die betreffenden Gebäude einer jüdischen Siedlerorganisation zugesprochen wurde. Diese versuchten bereits mehrmals die dort seit Jahrzehnten lebenden arabischen Flüchtlinge zu vertreiben, was letzten Endes am sechsten Mai zu Ausschreitungen zwischen Arabern und den Siedlern führte. Diese Unruhen breiteten sich bis zur im Islam heiligen al-Aqsa-Moschee aus, die kurz daraufhin am neunten Mai von Polizeistreitkräften gestürmt und sämtliche Versammlungen und Gebete mit Tränengas und Gummigeschossen brutal aufgelöst wurden. Die Besetzung der al-Aqsa-Moschee wurde dann von Hamas und anderen Organisationen als Legitimation benutzt, wiederum eigene Angriffe auf Israel durchzuführen.

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