Dschihadisten erobern fast ganz Idlib

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In der letzten großen noch von Aufständischen beherrschten Region Idlibs dauert seit Jahresanfang eine große Militärkampagne der islamistischen Miliz Tahrir al-Sham (ehemals bekannt unter den Namen Fateh al-Sham und Jabhat al-Nusra) gegen seine politischen Rivalen an, welche bisher in jeglicher Hinsicht erfolgreich verlaufen ist und mit der die Dschihadisten ihre dominante Position innerhalb der syrischen Opposition behaupten können. Inmitten der anhaltenden Waffenruhe mit der syrischen Regierung wurden Hunderte Dschihadisten bei internen Kämpfen getötet. Der erneute Ausbruch von Kämpfen ähnelt dem bisherigen Muster, dass man in „Friedenszeiten“ gegen die syrische Regierung keinen einenden Gegner hat und sich stattdessen untereinander um Macht und Einfluss innerhalb der letzten Provinz der Aufständischen bekriegt, ein Ausblick auf ein hypothetisches Syrien unter oppositioneller Herrschaft.

Involviert in den Kämpfen sind Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die dominierende Gruppierung innerhalb der Opposition und ehemals bekannt unter den Namen von Jabhat Fateh al-Sham und Jabhat al-Nusra, dem syrische Ableger von al-Qaida. Auf der anderen Seite befindet sich das vor einem Jahr gebildete Bündnis mit dem Namen „Jabhat Tahrir Souriya“ (JTS), welches aus Ahrar al-Sham und Harakat Nour al-Din al-Zenki besteht. Letztere wurde bis mindestens 2015 von den USA aktiv mit Panzerabwehrwaffen unterstützt und ist vor allem dafür bekannt, in Aleppo ein Kind lebendig geköpft zu haben. Al-Zenki nahm eine wichtige Position bei den Kämpfen um Aleppo ein, verschwand danach aber in die Irrelevanz. Relativ zeitgleich mit der Umbenennung von al-Nusra in Fateh al-Sham schlossen sich die übrig gebliebenen Kämpfer lose Tahrir al-Sham an, doch trennten sich aufgrund interner Dispute wieder.

Nachdem HTS bereits jegliche Rivalen aus der Provinz Aleppo vertreiben und damit auch al-Zenki faktisch auflösen konnte, richtete sich das Augenmerk der Dschihadisten auf den Süden Idlibs und Hamas, eine Region welche traditionell unter unabhängiger oder HTS-oppositioneller Kontrolle steht. Ohne großen Widerstand konnten Kampfverbände von Tahrir al-Sham mehrere Orte und Gebiete rund um die al-Ghab-Ebene erobern. Nach anfänglichen militärischen Erfolgen gaben viele Lokalräte auf und zogen stattdessen einen friedlichen Abzug nach Afrin vor. Die Verwaltung wird die von Tahrir al-Sham gegründete „Heilsregierung“ übernehmen, welche den zivilen und administrativen Flügel der Miliz darstellt. Bereits gegebene Infrastruktur und Institutionen wie die „Free Idlib Police“ werden ebenfalls unter der Kontrolle der Heilsregierung stehen.

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Ungefähre Situation in Idlib, hinzu kommen weitere Eroberungen durch diplomatische Verhandlungen (z.B. nahe Aleppo oder auf der Anadan-Ebene)

Zu den größten neuen Erfolgen zählt die Eroberung der Stadt Maarat al-Nuuman in Nord-Hama, welche zusammen mit Kafranbel und Ariha für den zivilen Widerstand der Bevölkerung gegen die Herrschaft Tahrir al-Shams bekannt ist. Damit existiert kaum noch eine Opposition zur al-Qaida-Miliz, welche am Höhepunkt ihrer territorialen Macht steht und diese immer weiter ausbaut und zementiert. In den kommenden Tagen sollen weitere Hundertschaften von Jabhat Tahrir Souriya nach Afrin gebracht werden, am Ende dieses am Donnerstag beschlossenen Deals wird HTS mehr als 80% des Gebiets um Idlib kontrollieren.

Den übrig gebliebenen Kämpfern von islamistischer Milizen wie JTS, al-Zenki oder Suqour al-Sham blieb nichts anderes übrig, als geschlagen den Rückzug anzutreten und sich stattdessen weiter nördlich in das von der Türkei verwaltete und kontrollierte Gebiet zurückzuziehen, wo Tahrir al-Sham kaum Einfluss besitzt. Diese neue Entwicklung kommt einer faktischen Spaltung des Oppositionsgebietes in zwei Teile gleich: Das von Tahrir al-Sham und seinen Verbündeten kontrollierte Idlib und das von der Türkei und seinen Stellvertretern dominierte Nord-Aleppo entlang der türkischen Grenze, darunter auch Afrin. Dadurch wächst auch die Möglichkeit einer militärischen Operation der syrischen Armee gegen Idlib mit der Unterstützung der Türkei, besonders in letzter Zeit kam es immer wieder zum Bruch der Waffenruhe.

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