Der Diplomatiekrieg um Libyen

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Auf der Suche nach einer Beendigung des gegenwärtigen Konfliktes in Libyen zieht es die verschiedenen Fraktionen und internationalen Unterstützer derzeitig zum Verhandlungstisch in Berlin, wo sich die EU und deutsche Regierung eine Lösung erhoffen. Jedoch gibt es wenig Grund für Optimismus, nachdem bereits die wesentlich einflussreicheren Länder Türkei und Russland keine endgültige Waffenruhe herbeiführen konnten und die in Ostlibyen ansässige Regierung unter der Führung des ehemaligen Gaddafi-Generals Khalifa Haftars derweil auf dem Vormarsch ist. Während die EU sich auf Seiten der Türkei und der libyschen „Einheitsregierung“ stellen will, blockiert Griechenland eine gemeinsame Lösung Europa: Immerhin geht es in dem Konflikt auch um Rohstoffe im Mittelmeer.

Die Bundesregierung hatte für die Berlin-Konferenz die zwei rivalisierenden Regierungen, einerseits die aus dem Osten Libyens stammende Tobruk-Regierung und die aus der libyschen Hauptstadt Tripolis operierende, von der UN anerkannte „Einheitsregierung“ eingeladen, um über eine Waffenruhe und die Einhaltung des Waffenembargos zu verhandeln. Zudem sollen sich die Vertreter aus mehr als zehn Ländern für eine Rückkehr zu einem politischen Prozess in Libyen und zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der Menschenrechte verpflichten, notfalls auch mit eigener Truppenpräsenz durch die europäischen Staaten. In dem Zusammenhang empfängt die Bundesregierung auch Vertreter von Staaten, welche einen größeren Einfluss im Libyen-Konflikt besitzen, unter anderen werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der russische Staatschef Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo erwartet, wobei die USA seit 2019 kaum noch in Libyen präsent ist.

Die Tobruk-Regierung hat sich bereiterklärt, mit einer Delegation in Berlin zu erscheinen, nachdem Außenminister Heiko Maas vor wenigen Tagen extra nach Benghazi reiste, um dort unter anderem General Khalifa Haftar zu treffen, welcher ebenfalls in Berlin erscheinen wird. Bei der Einheitsregierung ist eine Teilnahme weiterhin unklar, zumindest soll sich Präsident Fayiz al-Sarraj nicht nach Berlin begeben. Während Dutzende Länder eingeladen sind, ist ausgerechnet Griechenland nicht Teil der Konferenz. In Athen sorgt diese Entscheidung für erhebliche Kritik, stattdessen organisierte man ein eigenes Treffen mit Haftar und droht damit, jegliche Entscheidungen der EU bezüglich Libyen zu blockieren.

Denn Griechenland könnte als größter Verlierer aus den Verhandlungen hinausgehen. Grund dafür ist ein Abkommen zwischen der Türkei und der libyschen Einheitsregierung Ende letzten Jahres, welches die See- und Handelszonen zwischen den beiden Ländern im Mittelmeer aufteilte und dabei nicht nur das Territorium der Tobruk-Regierung ignoriert, sondern die griechischen Inseln und Ansprüche ebenso negiert. In einigen Teilen der Gebiete befinden sich auch wichtige Ressourcen, darunter Gas und Öl.

Von einer Waffenruhe würde ebendiese Tripolis-Regierung profitieren, da sie seit Monaten militärisch zurückgeschlagen werden konnten und effektiv nur noch zwei Großstädte (Tripolis und Misrata) im Nordwesten des Landes kontrollieren. Eine Verschnaufspause würde nicht nur die militärische Initiative der „Libyschen Nationalarmee“ (LNA) unter Haftar beenden, sondern den verschiedenen Milizen der Einheitsregierung genügend Zeit zur Konsolidierung der eigenen Kräfte geben. Besonders aber könnte das der Türkei genügend Zeit verschaffen, um eigene Truppen nach Tripolis zu schicken und damit eine neue Offensive unmöglich machen zu lassen.  Bereits heute setzt die türkische Regierung Tausende syrische Islamisten als Söldner im Kampf um die Hauptstadt ein. Aus diesen Gründen hat das ostlibysche Parlament auch die Verhandlungen in Moskau um eine Waffenruhe abgelehnt, dementsprechend unwahrscheinlich ist auch ein Ergebnis in Berlin.

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Heiko Maas und Khalifa Haftar in Benghazi 

Die Tobruk-Regierung unter Kahlifa Haftar kontrolliert etwa 90% des Landes, ein Großteil davon ist jedoch Wüste. Die dortige Koalition bestand zunächst aus verschiedenen Milizen, welche sich jedoch auch aufgrund internationaler Hilfe zunehmend professionalisierten und inzwischen in Form der „Libyschen Nationalarmee“ zu den stärksten Streitkräften auf dem libyschen Schlachtfeld gehören. Dennoch agieren viele Milizen unter dem Schirm der LNA weiterhin unabhängig. Haftar verschrieb sich persönlich primär der Bekämpfung von islamistischen Kräften im Land, so wurden über mehrere Jahre und Monate hinweg Städte wie Benghazi oder Dernah aus den Händen des Islamischen Staates, al-Qaidas oder lokaler Islamisten befreit. Unterstützt wird er dabei vor allem durch Russland, das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Frankreich, welches zunehmend gute Beziehungen zu Haftar aufrecht erhält, nachdem er für eine Notoperation nach Frankreich transportiert wurde. Auch Griechenland, Saudi-Arabien und Jordanien unterstützen Ostlibyen. Zudem ist er amerikanischer Staatsbürger, nachdem er erfolglos gegen Ghadaffi 1989 geputscht hatte und die USA ihm eine Zuflucht anbot.

Auf der anderen Seite befindet sich die sogenannte „Einheitsregierung“, welche von der UN als legitimer Vertreter des libyschen Staates angesehen wird. Im Vergleich zur Tobruk-Regierung existiert eine niedrigere militärische und politische Einheit, immer wieder versuchen lokale Milizen aus den verschiedenen Vorstädten von Tripolis um die Herrschaft zu buhlen und attackierten auch mehrmals die örtlichen „Tripolis Protection Force“. Die verschiedenen Milizen vor Ort haben die tatsächliche Macht in der Region, die Regierung unter al-Sarraj ist vergleichsweise machtlos und auf die internationale Unterstützung angewiesen. Diese Unterstützung erhalten sie in erster Linie von der Türkei, aber auch der Iran und Katar transportierten bereits Waffen und lieferten finanzielle Hilfe. Der Konflikt zwischen der Einheits- und Tobruk-Regierung ist aber nicht nur Ausdruck geopolitischer Machenschaften, sondern zeigt die weiterhin bestehende Aufteilung des Landes in das ostlibysche Cyranaika und westlibysche Tripolitanien auf, die die angespannten Beziehungen der Regierungen und Bevölkerung stärken.

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