Aserbaidschan schießt russischen Hubschrauber ab

Überraschende Entwicklungen im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan: Montag Abend tauchten die ersten Berichte darüber auf, dass ein russischer Kampfhubschrauber im Grenzgebiet zwischen Armenien und der umkämpften Region Bergkarabach abgestürzt ist. Nur kurze Zeit später verhärtete sich der Verdacht, wie das russische und aserbaidschanische Verteidigungsministerium unabhängig voneinander bestätigen: Der Helikopter wurde von Luftabwehrraketen der aserbaidschanischen Armee abgeschossen, die zwei Piloten starben dabei. Baku reagierte schnell und räumte diese Entwicklung als „schweren Fehler“ ein und sei zudem bereit, monetäre Kompensation zu leisten. Dennoch könnte Russland diesen Vorfall als Legitimation dafür nutzen, stärker in den Konflikt zu intervenieren und dabei das ansonsten international recht isolierte Armenien zu unterstützen.

Der Abschuss fand nahe dem armenischen Dorf Yerkash statt, welches nur wenige Kilometer von der Grenze nach Bergkarabach bzw. Aserbaidschan entfernt liegt. Der zerstörte Kampfhubschrauber des Typs „Mi-24“ begleitete einen russischen Militärkonvoi, welcher innerhalb des Grenzgebietes patrouillierte und aserbaidschanische Übergriffe auf das armenische Kernterritorium durch die alleinige Präsenz verhindern soll. Bei dem Absturz starben die zwei russischen Piloten, eine weiterer Soldat wurde schwer verletzt. Die russische Armee hat seit dem Ausbruch des armenisch-aserbaidschanischen Krieges ihre Präsenz entlang der gemeinsamen Landesgrenze erheblich verstärkt und mehrere vorgeschobene Militärbasen errichtet.

Die schnelle Reaktion und das Eingeständnis von Aserbaidschan, dass es sich hierbei um eine „versehentliche Aktion“ handelt, offenbart die Furcht des Landes vor einer russischen Vergeltung bzw. wenig Interesse daran, dass Russland in dem neuen Kaukasuskonflikt stärker eingreift. Auch bedient sich Aserbaidschan hier wohl aus den Erfahrungen von vor drei Jahren, als die Türkei einen russischen Kampfjet an der syrisch-türkischen Grenze abschoss, nachdem dieser für wenige Sekunden türkischen Luftraum betreten hatte. Als Reaktion darauf intensivierte Russland die Bombardements auf die pro-türkischen Islamisten in den Provinzen Latakia und Idlib, zudem wurde die Türkei mit größeren Sanktionen belegt, die letzten Endes dazu führten, dass sich die türkische Führung offiziell entschuldigte.

Überreste einer von Aserbaidschan genutzt und aus der Türkei stammenden „Bayraktar TB-2“-Drohne

Der wichtigste Schauplatz der Gefechte zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen ist jedoch nicht das armenische Grenzgebiet, sondern bleibt weiterhin die Region Bergkarabach im Allgemeinen und die Stadt Schuschi im Speziellen. Wie in den letzten Tagen bleibt die militärische Situation im Kampf um die antike Festung undurchsichtig, beide Seiten behaupten, den Ort erobert und gesichert zu haben. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein kurzes Video, in dem fünf Soldaten vor einem Gebäude in Schuschi posierten. Das belegt immerhin, dass zu einem unbekannten Zeitpunkt die Siedlung tatsächlich unter der Kontrolle Aserbaidschans stand, womöglich aber von Armenien wiedererobert wurde, wie mehrere Kriegsreporter vor Ort berichten.

Aufgrund der Relevanz von Schuschi soll Aserbaidschan einen Großteil ihrer Truppen dort versammelt haben und deswegen Soldaten aus anderen Frontabschnitten wie bei Lachin abgezogen haben. Dadurch sollen die armenischen Verteidiger an einigen Orten erfolgreiche Gegenangriffe durchgeführt und mehrere Hügel wiedererobert haben. Aufgrund des aktuellen Wetters befinden sich aserbaidschanische Einheiten ohnehin im Nachteil, da sie den Einsatz der effektivsten Waffen im aserbaidschanischen Arsenal, die Angriffs- und Aufklärungsdrohnen, behindern.

Die Siedlung zählt aufgrund ihrer Lage und des Terrains als „uneinnehmbare Stadt“, obwohl sie in der Geschichte bereits mehrmals den Besitzer wechselte. Ihr Verluste würde äußerst demoralisierend wirken, vor allem da die Ortschaft als „kriegsentscheidend“ angesehen wird, vor fast 30 Jahren musste Aserbaidschan hier eine vernichtende Niederlage im letzten großen Krieg um Bergkarabach einstecken. Historisch ist die Stadt nicht nur als Geburtsort vieler Komponisten und Schriftsteller bekannt, sondern auch für ein Pogrom an den armenischen Einwohnern aus dem Jahre 1920 bekannt, wodurch über 2000 Armenier getötet wurden, einige Schätzungen reichen sogar bis zur 20.000er-Marke. Nur vier Kilometer nördlich liegt die Hauptstadt der Region, Stepanarkert. Die Stadt soll inzwischen größtenteils verlassen sein, nachdem die armenischen Einwohner aus Furcht vor Zerstörung und ethnischen Säuberungen flohen.

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