Amerikanische Syrienpolitik wird sich unter Biden verändern

Ein Wechsel in der amerikanischen Präsidentschaft bedeutet auch eine Umkehr in der bisherigen Syrienpolitik der Weltmacht. Während die US-Politik bezüglich des seit einem Jahrzehnt vom Krieg betroffenen Landes unter Präsident Trump eher von dem Versuch geprägt war, einen harten Kurs gegenüber der syrischen Regierung zu fahren während man den eigenen Einfluss im Land durch Truppenabzüge und einer faktisch pro-türkischen Politik verminderte, könnte es unter Biden eine Kehrtwende geben: Die Rückkehr der USA als aktiver und unabhängiger Kriegsteilnehmer in Syrien, gegen die syrische Regierung, dem Einfluss Russlands und der Türkei. Die größten Änderungen könnten dabei unter der eigenen Truppenpräsenz und der Unterstützung der ehemals kurdischen Verbündeten fallen, während der Kurs gegenüber Assad weiterhin aggressiv sein wird. Von dem Versprechen, „die syrische Bevölkerung zu unterstützen“, ist bisher jedoch wenig bemerkbar.

„Die Trump-Administration hat die US-Politik in Syrien wiederholt verfehlt“, heißt es in der offiziellen außenpolitischen Erklärung des Präsidenten. „Biden würde sich wieder auf die Seite der Zivilgesellschaft und der pro-demokratischen Partner vor Ort stellen. Er wird sicherstellen, dass die USA die globale Koalition anführen, um ISIS zu besiegen und den Einfluss, den wir in der Region haben, nutzen, um eine politische Lösung zu gestalten, die mehr Syrern eine Stimme gibt.“ Für die USA würde das bedeuten, eine völlige Abkehr von der Trump’schen Syrienpolitik zu nehmen und öffentlich interventionistischer zu agieren, vor allem die lokalen Verbündeten zu unterstützen und gegen den Islamischen Staat und der syrischen Regierung gleichermaßen vorzugehen. Ob sich dies mit der realpolitischen Tatsachen vereinen lässt ist jedoch nicht abzusehen, immerhin musste die USA zugunsten Russland an Einfluss gegenüber den kurdischen Verbündeten einbüßen und ist im Land selber kaum präsent, geschweige kann auf die derzeitige Situation Einfluss nehmen.

Entgegen etlichen Medienberichten verstärkte Biden bisher nicht die amerikanische Truppenpräsenz in Syrien oder entsendet neue Soldaten zum Konfliktherd. Alle bisherigen Manöver und Grenzübertritte zwischen der Türkei/Irak und Syrien sind reguläre Rotationen der Armee, zudem kommen tagtäglich Nachschubkonvois in den Norden des Landes, insofern sind hier keine neuen Entwicklungen zu bemerken und die Meldungen vom „Übertritt mehrerer Armeekonvois nach Syrien“ nicht mehr als Sensationalismus. Nichtsdestotrotz wäre es wenig überraschend, sollten in der Zukunft mehr amerikanische Truppen in Syrien präsent sein, immerhin gilt die Syrienpolitik von Trump in weiten Teilen der politischen und militärischen Führung als destruktiv und fatal, führte sie letzten Endes nur zu einem schwächeren Einfluss der USA. Schätzungsweise weniger als 1.000 Soldaten sollen derzeit in Syrien aktiv sein, die überwiegende Mehrheit davon in der ostsyrischen Provinz Deir ez-Zor, in denen sich etliche Öl- und Erdgasfelder befinden. Die amerikanische Administration unter Trump kommunizierte öffentlich, dass die weitere Truppenpräsenz mit dem Vorhandensein der Ölfelder begründet ist, um die wertvollen Ressourcen den politischen Gegnern (der syrischen Regierung) zu verwehren.

Dabei geht es auch um den direkten Konflikt zu Russland und der syrischen Regierung, denn beim Abzug der US-Soldaten aus weiten Teilen Nordsyriens entstand ein Machtvakuum, welches kurzerhand von diesen zwei Kontrahenten in Form von eigenen Truppen gefüllt wurde. Die internationale Unterstützung war nötig, um weitere, gegen die Kurden gerichtete Militäroperationen zu unterbinden, nachdem die Türkei einen fast 100 Kilometer langen Grenzstreifen zwischen den Städten Ras al-Ayn und Tel Abyad mit der Unterstützung ihrer syrischen Stellvertreter erobern konnte. Diese Entwicklung führte innerhalb der nordsyrischen Bevölkerung zu einem großen Vertrauensverlust bezüglich der USA und so ziehen nicht Wenige Russland der USA vor.

Die zweite größte Änderung könnte im Umgang mit der Türkei entstehen. Verglichen mit seinen Vorgängern gilt Biden als relativ kritisch gegenüber der türkischen Außenpolitik bzw. Präsident Erdogan, so will er beispielsweise weitgehend Waffenverkäufe zwischen den zwei Ländern eindämmen und damit auch den türkischen Einfluss in Syrien bekämpfen, welche sich direkt gegen den US-Verbündeten der arabisch-kurdischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) richtet. Ausdruck davon ist die Rückkehr von Brett McGurk, welcher in Folge des partiellen US-Truppenabzuges aus Protest seine Position als amerikanischer Gesandter der Anti-US-Koalition aufgab und sich aus der Politik zurückzog. Nun verschafft Biden ihm einen neuen Posten, er ist nun der Direktor für den Nahen Osten und Afrika im National Security Council und hat dementsprechend großen Einfluss auf die kommende Politik in der Region. In Nordsyrien wurde seine Rückkehr bereits gefeiert, McGurk verfolgt einen pro-kurdischen Kurs und pflegt enge Kontakte zur Führung der SDF, die nun wieder erblühen könnten.

Es gibt aber auch Felder, in denen die USA wohl kaum Änderungen vornehmen wird, vor allem im Umgang mit der syrischen Regierung. Mit dem vor einem halben Jahr beschlossenem „Caesar-Gesetz“ wurden bereits bestehende Sanktionen und Finanzeinschränkungen gegen die syrische Regierung und die Zentralbank verschärft. Das Gesetz bedroht darüber hinaus ausdrücklich Staaten, Banken, Unternehmen und Einzelpersonen in aller Welt, die in oder mit Syrien arbeiten. Das beinhaltet in erster Linie jene Unternehmen, die bei dem Wiederaufbau oder der Wiederherstellung der Infrastruktur helfen wollen. Es richtet sich besonders gegen Russland, Indien, Iran und China und sendet eine Warnung an Golfstaaten, die ihre Beziehungen zu Damaskus normalisieren wollen, vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate. Die neuen Sanktionen führten zudem zum Zusammenbruch des Pharmazeutika- und Medizinsektors im Land und einer Masseninflation, die stetig steigt. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Sanktionen unter der neuen US-Administration trotz diverser Versprechungen „die syrische Bevölkerung zu unterstützen“ nicht gelockert, sondern eher verstärkt werden.

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