Afrin kommt nicht zur Ruhe

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Seit der Eroberung der Region Afrin durch türkische Streitkräfte und ihre syrischen Verbündeten kommt das Gebiet nicht mehr zur Ruhe, in dem einst unter der Kontrolle der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) stehenden Kanton herrscht nun ein brutaler Guerillakrieg der Kurden, welcher sich gegen die neuen „Besetzer“ richtet, seien es Islamisten, arabische Flüchtlinge oder die Lokalregierung. Inzwischen tagtäglich kommt es zu Anschlägen und Attentaten, in Afrin herrscht trotz der türkischen Herrschaft weiterhin ein Krieg im Untergrund. Erst vor kurzem kündigte ein Pressesprecher der YPG eine neue „Phase“ im Guerillakampf an.

Der Kampf trägt den Namen „Rache der Oliven“, eine Anspielung auf Olivenplantagen, für die Afrin national berühmt sind und neben dem (ehemaligen) Tourismus die Haupteinnahmequelle bilden. Zudem wurden bereits mehrfach diese Plantagen durch Islamisten in Brand gesteckt. Sie behaupten selber unabhängig von der YPG/SDF zu agieren, wobei die Beziehungen und stellvertretenden Statements von YPG-Pressesprechern wie Nuri Mahmoud eindeutig sind. Die bisherigen Ziele beschränken sich vor allem auf die Kämpfer verschiedener Organisationen, darunter beispielsweise die Sarmakad-Brigade, Mustafa-Regiment, Faylaq a-Sham oder Ahrar al-Sham. Aber es wurden auch Lokalpolitiker exekutiert, so wurde der Politiker Akash Ahmed vor zwei Wochen getötet,  welcher Mitglied im von der Türkei gebildeten Stadtrat Afrins ist.

Die in Videos immer wieder veröffentlichten Attentate folgen stets dem selben Muster: Mitten in der Nacht werden auf Motorräder oder Pick-Ups geschossen, welche sich auf isolierten Feldstraßen bewegen. Sollten sie nicht direkt beim Überfall gestorben sein, so werden sie kurz darauf exekutiert. Bisher scheint bei den Rebellen noch kein Lernprozess eingesetzt zu haben, noch immer fahren sie mitten in der Nacht alleine durch völlig abgeschiedene Straßen. Sei es ein Kommandant wie der am Samstag ermoderte Yassin al-Jassem oder ein einfacher Kämpfer wie Kulian Tahtani, Mitglied der Sultan-Murad-Division.

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Veröffentlichtes Video zeigt die Exekution des Politikers Akash Ahmed (Screenshot) 

Generell scheint sich der Hass der wohl aus Afrin stammenden Guerillakämpfer gegen jene zu richten, die sie als „Kollaborateure der türkischen Besetzung“ ansehen. Darunter fällt auch die arabische Bevölkerung, welche entweder aus anderen Teilen Syriens stammen oder für mehrere Jahre in der Türkei verharrten und nun umgesiedelt werden. Ihnen gegenüber gab es bisher nur Drohungen und keine Taten, wobei sich das jederzeit ändern kann. Der YPG-Pressesprecher Nour Mahmoud bezeichnete diese neuen Einwohner als „legitime Ziele“ und werde weiterhin jene angreifen, die von außerhalb Afrins kommen. Dabei bedienen sie gewisse Ressentiments in der originalen kurdischen Bevölkerung, die ihre Position bedroht sehen. Es kommt zwischen Flüchtlingen und wiederkehrenden Einwohnern oft zu Streitigkeiten um Besitztümer, durch die Intervention von Islamisten enden diese oft gewaltsam.

Weder die Türkei, noch pro-türkische Aufständische konnten bisher erwähnenswerte Erfolge gegen die Guerillakämpfer vorweisen, hin und wieder werden aber kleinere Waffenlager mit Granaten und Handfeuerwaffen gefunden. Ein Großteil der involvierten Gruppierungen scheint auch wenig gewillt, aktiv gegen dieses Problem vorzugehen. Stattdessen bekämpfen sie sich gegenseitig und nähren dabei das Chaos, in welches die Guerillakämpfer erst Unterstützung in der Bevölkerung genießen und ihre Machtbasis ausbauen können. Erst vor kurzem kündigte man an, in eine neue „Phase“ des Guerillakampfes zu treten.

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